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Ehrenmord an Iptehal Al-Zein: Gericht spricht Urteil

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Ehrenmord Iptehal Al ZeinAm 15. Juli 2013 wurde im Ehrenmordprozess um Iptehal Al-Zein das Urteil gesprochen: Der Bruder des Opfers Hüsein wurde zu einer Jugendstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten wegen Mordes verurteilt. Der Onkel Hussain wurde zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen Mordes bestraft, die Mutter der Getöteten wurde zu einer Geldstrafe von 1500€ wegen uneidlicher Falschaussage im Prozess gegen Iptehals Cousin verurteilt, im Übrigen aber freigesprochen, der Onkel Mohamad wurde freigesprochen.

Die Gerichtszusammenfassung der Sachverhalte

Die Aufarbeitung der Tat hatte bislang 5 Jahre gedauert. Nachdem Iptehal am 1. September 2008 tot aufgefunden wurde, sind die Ermittler immer wieder darauf gestoßen, dass die Familie Iptehals ihren Lebenswandel missbilligte. Das Gericht hatte sich bemüht, ein Bild von den Familienverhältnissen zu machen und kam zu dem Ergebnis, dass es eine bestimmte „Heiratspolitik“ innerhalb des Clans gab, da nämlich im Wesentlichen untereinander geheiratet wurde. Laut Erklärungen des psychologischen Sachverständigen Dr. Jan Kizilhan diene diese „Heiratspolitik“ der Stabilisierung des Familienverbundes. Im Weiteren hatte der Sachverständige festgestellt, dass es sich um eine in ihren Denkmustern patriarchalisch geprägte Familie handele, die insbesondere auch von Frauen bestimmte Verhaltensweisen erwartet bzw. bestimmte andere Verhaltensweisen verbiete: Frauen und Mädchen hätten nicht allein auszugehen, sie hätten nicht in einer eigenen Wohnung zu leben und sie hätten nicht Freundschaften zu unterschiedlichen Männern pflegen dürfen.

Gegen alle diese Vorstellungen habe Iptehal verstoßen. Sie habe ein Leben führen wollen, wie es in ihrer deutschen Umgebung üblich war. Dieser Lebensstil und vor allem auch ihre Beziehung zu einem Türken verletzten das Ehrempfinden der Familie. Besonders weil es zu keiner Eheschließung mit dem türkischen Mann kam.

Nachdem Iptehal den kranken Vater gepflegt hatte und dieser später verstarb, kam es zum Bruch zwischen Iptehal und ihrer Familie, denn die junge Frau wollte ihr früheres Leben wieder aufnehmen. Sie erlitt Beschimpfungen und Schläge und ihr wurde mit dem Tode gedroht. Auch als sie im Frauenhaus lebte hatte sie nachweislich ständig Angst vor einer Tötung.

Auch durch diese Angst ließ sie sich jedoch nicht zur Umkehr bewegen, besorgte sich vielmehr eine eigene Wohnung, auf die sie sich freute und für die sie bereits Hausrat gekauft hatte.

Ihr Bruder Hüsein kam offenbar mit der Situation nicht zurecht. Wenn Iptehal mal zur Familie kam, schlug er sie. Iptehal ihrerseits war nicht in der Lage, sich hinreichend von der Familie abzugrenzen, sondern wollte durch ihre Besuche der Familie immer wieder zeigen, dass sie sich der Familie verbunden fühlte.

Die Tat selber sei vom Bruder Hüsein und vom Onkel Hussain geplant worden, resümiert das Gericht. Hüsein sei dabei die Rolle zugefallen, sich um die „Heranführung“ des Opfers zu kümmern. Iptehal habe sich gefreut, als ihr Bruder sie anrief, um sie zu einem Besuch bei einem Onkel in Wuppertal mitzunehmen. Gleichzeitig habe sie allerdings auch Ängste gehabt und hatte sich deshalb von einer Mitbewohnerin des Frauenhauses eine Kette mit dem „türkischen Auge“ als Glücksbringer ausgeliehen.

Der Besuch in Wuppertal fand allerdings nicht statt. Wie es zu der Absage kam, konnte das Gericht nicht aufklären. Der Onkel habe dann auf dem Rastplatz, wo er von Ezzedin und Hüsein hingebracht worden war, gewartet. Iptehal wäre sicher nicht in das Fahrzeug gestiegen, wenn sie ihn dort gesehen hätte, da die Mutter immer wieder vor ihm gewarnt hatte.

Iptehal wurde dann im Gebüsch sitzend oder liegend erschossen. Dabei habe der bereits verurteilte Ezzedin sie an den Beinen festgehalten.

Das Gericht hatte beim Bruder Hüsein die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen berücksichtigt, dass Hüsein zum damaligen Zeitpunkt wohl psychisch beeinträchtigt gewesen sei. Er leide an einer multiplen Persönlichkeitsstörung und sei leicht beeinflussbar und sei so zu stark in den Sog des Onkels geraten.

Bezüglich des Onkels Hussain gebe es keinerlei Hinweise auf eine psychische Beeinträchtigung, vielmehr sei die Tat sehr kaltblütig geplant gewesen, was dem sog. „ökonomischen Prinzip“ bei Ehrenmorden, das der Sachverständige Dr. Kizilhan erwähnt hatte, entspreche.

Das Geständnis des Bruders Hüsein sei nicht zu widerlegen gewesen. Das Gericht hat nach dem sogenannten Günstigkeitsprinzip für die beiden Verurteilten sogar jeweils angenommen, dass die Initiative vom jeweils anderen ausging. Aber auch der Onkel war in das Geschehen eingebunden. Die Familien seien bis zur Tat keineswegs zerstritten gewesen.

Der Onkel hatte bei der Polizei bereits gestanden, dass er am Tatort war. Dies werde auch durch die Funkdaten bestätigt. Sein Tatbeitrag sei durch seine Anwesendheit am Tatort klar belegt. Darüber hinaus war das Fluchtverhalten des Onkels ein klares Zeichen für seine Mittäterschaft. Der Onkel floh nach der Tat nicht nach Finnland, wo die Familie lebte, oder nach England, wo er sich zum damaligen Zeitpunkt dauerhaft aufhielt, sondern nach Syrien, dem einzigen dieser Länder, bei dem er vor einer Auslieferung nach Deutschland sicher sein konnte. Nur in Syrien war er dem Zugriff entzogen und dies wäre nicht nötig gewesen, wenn er tatsächlich nur Zeuge gewesen wäre.

Zur rechtlichen Würdigung sagte das Gericht deutlich, dass es sich um einen Mord aus niedrigen Beweggründen handele. Die Täter wollten ihr übersteigertes Ehrgefühl an Iptehal ausleben.

Eine andere Würdigung wäre nur möglich, wenn die Täter so in ihren Sitten und Gebräuchen verhaftet wären, dass sie die Niedrigkeit des Tötungsmotivs nicht hätten erkennen können. Dies sei weder bei Hussain noch bei Hüsein der Fall. Beide lebten im europäischen Umfeld und wussten, dass die hiesige Rechtsordnung eine derartige Tat nicht hinnimmt.

Die Mutter sei bezüglich des Mordes freizusprechen, weil ihr der Tatbeitrag laut Anklage nicht nur nicht nachgewiesen werden konnte, sondern sogar widerlegt wurde. So haben nicht sie Iptehal nach Schwerte gelockt, sondern der Bruder. Dies hatten auch mehrere Zeuginnen ausgesagt.

Das Gericht verurteilte die Mutter allerdings wegen ihrer Falschaussage im Prozess gegen Ezzedin, wo sie behauptete, sie hätte Iptehal nie als „Schlampe“ oder „Hure“ bezeichnet. Zeugen hatten ganz klar bestätigt, dass sie genau diese Bezeichnungen für ihre Tochter benutzte. Insofern war sie wegen uneidlicher Falschaussage zu verurteilen: 150 Tagessätze zu je 10 € (1500 €) seien angemessen, so das Gericht.

Der zweite Onkel (Mohamad) wurde frei gesprochen, da die Erklärung für seine Anwesendheit in der Nähe des Parkplatzes als erwiesen angesehen wurde. Zeugen bestätigten, dass Mohamad sich mit einem Autohändler traf und geschäftlich am Tatort war.

Die Haftbefehle gegen die beiden Verurteilten bleiben wegen Fluchtgefahr erhalten. Insbesondere gegen Hüsain, der zwar noch bei seiner Mutter lebt, aber das Gericht es als erwiesen ansieht, dass die Mutter keinen kontrollieren Einfluss auf ihn besitzt.

Zum Abschluss wollte Hüsein noch einmal mit seiner Mutter sprechen, was ihm auch zugestanden wurde. Dazu kam es dann aber nicht mehr, weil es noch im Gerichtssaal zu tumultartigen Szenen kam, als die beiden inzwischen offenkundig schwer zerstrittenen Familien (Angehörige des Onkels Hussain und die Angehörigen des Bruders Hüsein) aufeinander losgingen. Nachdem erst einmal nur geschrieen wurde, versuchte sogar der verurteilte Bruder über den Tisch zu springen und auf die „feindlichen“ Angehörigen loszugehen. Es wurde gezerrt, geschlagen, geboxt und ein Stuhl wurde geworfen. Die herbeigerufenen Wachtmeister konnten die aufgebrachte Menge kaum bändigen. Einer der Beteiligten erlitt eine Kopfverletzung mit einer dicken Beule. Es dauerte gut 10 Minuten, bis die Beteiligten aus dem Saal gebracht werden konnten.

Die unbeteiligten Zuschauer und die Pressevertreter, die teilweise hinter der Absperrung zur Richterbank Schutz gesucht hatten, mussten dafür Sorge tragen, dass sie nicht von den tobenden Familienmitgliedern oder umherfliegenden Gegenständen getroffen wurden. Es steht fest, dass dieses Verfahren in die Familien keine Ruhe gebracht hat. An Iptehal dachte zu diesem Zeitpunkt sicher niemand. Wobei allerdings anzumerken ist, dass man während des gesamten Prozesses nicht ein einziges Mal den Eindruck hatte, dass irgendein Familienmitglied, sei es angeklagt oder Zuschauer, überhaupt an Iptehal dachte.

Der Prozess hat vor Augen geführt, dass mitten unter uns Menschen leben, die in Denkmustern verhaftet sind, die für die Mehrheitsgesellschaft nicht verständlich sind. Diese traditionell und patriarchalisch strukturierten Familien lassen sonst keinen Einblick in ihr Leben zu. Das mag sich auch einer der Gründe für die permanente Heirat untereinander sein. Gefährdet sind in diesem Kontext jene Familienmitglieder, die aus diesen Strukturen ausbrechen wollen. Die Tötung eines unbotmäßigen Familienmitgliedes, das angeblich irgendeine diffuse Ehre beschmutzt hat, ist in diesen Familien eine ernsthafte Handlungsoption.

Peri e.V. dankt dem Gericht für die klaren Worte, die in der Urteilsbegründung gefunden wurden, insbesondere für den Hinweis, dass diese Tat auf einer sittlich untersten Schiene steht und durch keine Kultur gerechtfertigt ist.

Alle Prozessberichte in chronologischer Reihenfolge:
1. Bericht – 15. März 2013
2. Bericht – 11. April 2013
3. Bericht – 16. April 2013
4. Bericht – 23. April 2013
5. Bericht – 03. Mai 2013
6. Bericht – 07. Mai 2013
7. Bericht – 14. Mai 2013
8. Bericht – 06. Juni 2013
9. Bericht – 25. Juni 2013

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Hagen, 15.7.2013

Kontakt für weitere Informationen:
Pressestelle peri e.V.
Bachgasse 44
D-69469 Weinheim
E-Mail: kontakt(at)peri-ev.de
Internet: www.peri-ev.de


Weisser Ring berichtet über meine Arbeit

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Weisser RingDie Hilfsorganisation WEISSER RING ist die größte deutsche Opferschutz-Initiative mit mehr als 50.000 Mitgliedern. Kriminalitätsvorbeugung ist neben der Opferhilfe ein erklärtes Ziel des Vereins. In seiner aktuellen Mitgliederzeitschrift berichtet der Weisse Ring ausführlich über meinen Verein peri e.V., meine Arbeit und warum sie zu einem Spießrutenlauf verkommen ist.

Der nachfolgende Artikel ist in der Mitgliederzeitschrift des WEISSEN RING erschienen. Ausgabe 4/2013 – (Seite 6 bis 8)

von Ingrid Weber

Zwangsverheiratung heißt Unterdrückung auf Lebenszeit

Sie war 12, als die Eltern sie 1978 verloben wollten. Für das stille Mädchen Serap eine Katastrophe: Sie war ein Kind, sie wollte keinen Mann, sie wollte Bildung! Es folgten schmerzhafte Jahre. Mit 26 endlich konnte sie sich von allem Zwang befreien. Mit ihren beiden Kindern flüchtete sie auf abenteuerliche Weise ins Frauenhaus und wartete auf ihre große Liebe Ali. Mit der Befreiung, zu der auch das Nieder – schreiben ihrer Geschichte und ihrer Empörung über die Entrechtung muslimischer Frauen gehörten, beginnt Serap Çileli ihren Kampf gegen Zwangsverheiratungen von Mädchen und jungen Frauen, aber auch von jungen Männern. Sie hält Lesungen und Vorträge, ist im Fernsehen und in Zeitschriften präsent und berät immer mehr Hilfesuchende, bis sie endlich 2007 mit einigen Unterstützern den Verein peri e.V. – Verein für Menschenrechte und Integration gründete.

Der Vater sieht seine Ehre zerstört

Doch bis es so weit ist, erlebte sie lange Jahre schwerstes Leid. Der Verlobung entzog sie sich seinerzeit durch einen Selbstmordversuch, noch während die Familie des Bräutigams zu Besuch war – die sich empört zurückzog und sofort die Verlobung aufkündigte.

Vier Jahre erst lebte sie damals in Deutschland. Zuvor hatten die liebevollen Großeltern sie, die ältere Schwester und den jüngeren Bruder in der Türkei großgezogen. Schnell hatte sie deutsch gelernt, doch Freundinnen zu finden war schwierig – die Mädchen durften allenfalls zu ihr nach Hause, sie durfte nie die Freundin besuchen. Der Vater befürchtete, dort könnte sie mit Männern oder Jungen zusammen kommen. Allerdings erlaubte er Serap, mit dem Bruder in den Sportverein zu gehen, in dem auch die drei älteren Brüder, die schon länger in Deutschland lebten, trainierten. Damit war die Kontrolle der Tochter sichergestellt. Doch mit 12 wurde ihr erst der Sport verboten und dann der künftige Bräutigam präsentiert.

Für ihren Vater bedeutete die geplatzte Verlobung damals die größte Schande – er sah seine Ehre vernichtet. Um sie wieder herzustellen, musste das aufsässige Kind, das ihm gegenüber vor Angst erstarrte, schnellstmöglich aus dem Haus: Mit 15 wurde sie im Sommer urlaub an einen deutlich älteren Mann in der türkischen Heimat verheiratet – die Hölle für das Mädchen Serap.

Sieben Jahre war sie Vergewaltigungen, Misshandlungen, tiefer Verachtung und wüster Beschimpfung ausgesetzt. Die Schwiegermutter verfolgte sie mit ihrem Hass. Weil der Ehemann den Lebensunterhalt nicht erwirtschaften konnte, finanzierten die Eltern von Deutschland aus das Leben. Zwei Kinder hatte Serap, die sieben Jahre lang die Eltern immer wieder anflehte, einer Scheidung zuzustimmen und sie aus der alltäglichen Gewalt zu befreien.

Nach der Scheidung lebte sie in der Türkei in einem Haus der Eltern, die ihre Kinder mit nach Deutschland genommen hatten. In dieses Haus zog mit ihrem Mann auch die zwei Jahre ältere Schwester ein, die ihre Zwangsverheiratung ohne Widerstand erduldet hatte. Serap zog sich zurück, nutzte die Zeit, um sich auf sich selbst zu besinnen. Bei der netten Nachbarin lernte sie deren Sohn Ali kennen und entdeckte mit der Zeit, was Liebe ist und wie Liebe sein kann. Doch die Schwester verriet das Paar an die Eltern, die sie zurück nach Deutschland zwangen. Aus Sorge um ihre Kinder leistete sie Folge. In Deutschland stand Serap unter ständiger Kontrolle der Familie, die Eltern wohnten nebenan, nach der Arbeit musste sie dort den Haushalt erledigen, ehe sie sich müde in die eigenen vier Wände zurückziehen durfte.

Nächtliche Flucht

Ihren sehnlichsten Wunsch, den in der Türkei zurückgebliebenen Ali heiraten zu dürfen, lehnten die Eltern immer wieder ab. Weil aber eine Frau nicht alleine leben darf, wurde die nächste Zwangsheirat in Angriff genommen – Zeit, sich zu befreien. Mitten in der Nacht unter dem Schutz von anonymen Unterstützern, floh sie mit Sohn und Tochter in ein Frauenhaus, Hunderte von Kilometern entfernt. Trotz der Todesdrohungen durch den Vater emanzipierte sie sich endgültig. Nach langem Warten und vielen materiellen Entbehrungen gelang die freiwillige Heirat zweier sich liebender Menschen und die Zusammenführung der Familie, zu der dann auch eine gemeinsame Tochter gehörte.

Es war ihr Mann, der ihr vor Jahren riet, die Arbeit für bedrohte Mädchen, Frauen und junge Männer in einen Verein einzubinden. Ihr Sohn unterstützte die Idee, die mehr und mehr Gestalt annahm und schließlich in der Gründung von peri e. V. mündete. Peri heißt die „gute Fee“, ein schöner und passender Name für diesen Verein, bei dem bedrohte Menschen Hilfe finden können. Nicht nur ihr Mann und die Kinder, auch rund 100 Frauen und Männer arbeiten inzwischen ehrenamtlich in diesem Verein und dies auf vielen Gebieten, zum Beispiel als Fluchthelfer und Paten für junge Frauen, die ihre Familie verlassen haben.

Die 2. Vorsitzende, Brigitta Biehl, beobachtet Gerichtsverhandlungen zu so genannten Ehrenmorden und dokumentiert die einzelnen Prozesstage auf der Internetseite www.peri-ev.de. Dort findet sich zum Beispiel die Dokumentation zur Verhandlung des Mordes an Arzu Özmen aus Detmold, einer Jesidin, deren angeblich bestens integrierte Familie die Freundschaft mit einem Deutschen aus Gründen der „Ehre“ nicht zulassen wollte und die empfundene Schande mit der Tötung der jungen Frau auf Anordnung des Vaters durch die Geschwister „tilgte“.

Als dort gegen den Vater und die Geschwister verhandelt wurde, hat peri e. V. öffentlich Flagge gezeigt: „Wir standen an jedem Verhandlungstag vor der Tür des Landgerichts in Detmold“, berichtet Serap Çileli. Und sie haben einen Trauermarsch für Arzu organisiert, an dem über 500 Menschen teilnahmen und Serap Çileli sprach.

Boykott der Medien

Kurz darauf allerdings erlebte sie, dass sie kalt gestellt wurde: Sie sollte im ARD-Morgenmagazin auftreten und zum Prozess gegen die Mörder von Arzu berichten. Ihr Mann fuhr sie nach Köln, bei Blitzeis. Kurz vor dem Ziel kam der Anruf auf Ihr Handy, mit dem sie ausgeladen wurde, aufgrund eines aktuellen Themas: Polizeihunde brauchen eine Schule. Wenig später wurde sie auch von Günter Jauch wieder ausgeladen. Schon vorher hatte ihr der zu Bertelsmann gehörende Verlag blanvalet die Zusammenarbeit aufgekündigt. Keiner der Verlage, die sie danach anschrieb, gab ihr eine Zusage. So verlegt sie inzwischen ihr zweites Buch „Eure Ehre – unser Leid“ in einer Neuauflage selbst, es ist im Buch- und im Versandhandel und auch bald in englischer Sprache erhältlich.

Auch die Verhandlung gegen Bruder, Mutter, Cousin und zwei Onkel von Iptehal Al-Zein begleitete Anwältin Biehl als Berichterstatterin für peri e. V. Am 15. März 2013 begann vor dem Landgericht Hagen die Verhandlung, bei der die Zerrissenheit der jungen Frau zwischen Familie und dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben ebenso heraus gearbeitet wurde wie die Beteiligung der Angeklagten an der Tötung auf einem Parkplatz an der A 45, wobei die Mutter nur wegen ihrer Beschimpfungen zu einer Geld strafe verurteilt und vom Vorwurf der Tatbeteiligung freigesprochen wurde. Freigesprochen wurde auch einer der beiden angeklagten Onkel, weil es einen plausiblen Grund für seine Anwesenheit in der Nähe des Tatortes gab, der nichts mit dem Mord zu tun hatte.

„Sittlich unterste Schiene“

Serap Çileli zog schließlich das Fazit aus diesem Verfahren: „Der Prozess hat vor Augen geführt, dass mitten unter uns Menschen leben, die in Denkmustern verhaftet sind, die für die Mehrheitsgesellschaft nicht verständlich sind.“ Für den Verein dankte sie dem Gericht für die klaren Worte in der Urteilsbegründung, insbesondere für den Hinweis, dass diese Tat auf einer „sittlich untersten Schiene“ steht und durch keine Kultur gerechtfertigt ist.

Solchen Morden aus falschem und völlig übersteigertem Ehrgefühl wollen Çileli und Biehl mit peri e. V. entgegen wirken. Deshalb bieten sie bedrohten Mädchen, Frauen und jungen Männern Hilfe an – über 900 Hilfesuchenden haben sie bisher geholfen, einen Weg aus der Finsternis zu finden, unter ihnen etwa 70 junge Männer.

Fast alle von ihnen hatten Migrationshintergrund, sie kommen aus dem muslimischen Kulturkreis, überwiegend sind sie türkischer Herkunft. Sie sind in erster Linie von Zwangsheirat betroffen oder bedroht, berichtet Çileli. Doch es gibt auch andere Probleme, wie der Verlust der Jungfräulichkeit, der an 2. Stelle bei den Hilfegesuchen steht, gefolgt von erlebtem Inzest und Homosexualität, die weder bei Töchtern noch bei Söhnen geduldet wird.

Auch binationale Partnerschaften bilden unter denen, die peri e. V. um Hilfe bitten, eine starke Gruppe. In den letzten Jahren melden sich auch immer wieder Familien, deren Kinder in die Fänge extremistischer, meist islamistischer Gruppierungen geraten sind. Familien stehen hilflos davor, wenn Töchter, meist zwischen 15 und 21 Jahren, zum Salafismus gelangen und Söhne an den Dschihad verloren werden. Eltern und Geschwister wissen weder, wo ihre Kinder kämpfen gegen die „Ungläubigen“, noch, ob sie überhaupt noch am Leben sind.

Der Wali hat das Sagen

Unter dem Dach von peri e. V. finden diese Familien eine Anlaufstelle, 13 haben sich zu einer Selbsthilfegruppe zusammengefunden. Die Familien haben begonnen, ihre Erfahrungen aufzuschreiben: Was passiert, wenn die Tochter anfängt zu schwärmen von einer neuen Religion, anfängt, ihre Ernährung umzustellen, alle Bilder aus ihrem Zimmer verbannt, den Fernseher verteufelt und die Puppen der kleinen Schwester entfernt? Was passiert, wenn die Tochter konvertiert und Mutter und Schwestern plötzlich zu Huren erklärt, weil sie ihre neue Lebensweise nicht teilen wollen?

Auch diese deutschen Konvertitinnen sind von Zwangsheirat bedroht, erklärt Serap Çileli. Sie bekommen einen Vormund, der alles bestimmt, auch eine Konvertitin ist ja schließlich eine Frau und hat sich zu unterwerfen. Alleinstehende Frauen, das haben sie zu akzeptieren, bringen Unheil in die islamische Gemeinde, deshalb bestimmt der Wali ihre Verheiratung. Dem Netzwerk von peri e. V. haben sich inzwischen auch Aussteiger zugewandt, sie diskutieren mit den Familien darüber, was Eltern falsch gemacht haben und was sie richtig machen können.

Mitglieder und Spender finanzieren

Die gesamte Unterstützung leistet peri e. V. ehrenamtlich, die Mittel kommen von Mitgliedern und Spendern. Die öffentliche Hand unterstützt die Arbeit nicht. Ein Vorstandsmitglied hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gerichte um Bußgelder und andere Einrichtungen sowie Privatpersonen um Spenden zu bitten. Die Mitglieder zahlen aber nicht nur ihren Beitrag. Wenn es darum geht, bedrohte Menschen in Sicherheit zu bringen, dann engagieren sich viele von ihnen.

Für die Frauen, die älter als 18 Jahre sind, gilt es, Patenfamilien zu finden. Denn die jungen Menschen leiden unter dem Verlust ihrer Familie, auch wenn der Aufenthalt dort meist von Gewalt geprägt war. Sie bedürfen der Fürsorge und der Zuwendung und deshalb finden sich bei peri e. V. immer wieder Paten, die diesen Flüchtlingen, die aus Furcht um ihr Leben der Familie den Rücken gekehrt haben, in das neue Leben helfen. Sie stehen bei der Suche nach Ausbildung oder Arbeit, nach einer eigenen Wohnung und nach selbstständigem Leben an ihrer Seite.

Jugendliche können in Zufluchtstätten unterkommen, bei Minderjährigen ist das Jugendamt einzuschalten. Vielen Geflüchteten fehlt es am nötigsten, sie besitzen oft nichts als das, was sie am Leib tragen. Auch in diesen Fällen hilft die „gute Fee“.

Der Verein ist gut vernetzt mit anderen Institutionen, mit den wenigen Zufluchtstätten in einigen Großstädten ebenso wie mit dem WEISSEN RING und anderen Einrichtungen, die für Menschen eintreten, die von Gewalt betroffen und bedroht sind. Denn wenn sie auch gleiche Ziele haben, verfügen sie meist doch über unterschiedliche Möglichkeiten, den Betroffenen Hilfe zu leisten.

Forderungen an die Politik

Aus ihrer ehrenamtlichen Arbeit – die sie quasi hauptberuflich leistet – leitet Serap Çileli eine Reihe von Forderungen ab, denn auf dem Gebiet der Gleichberechtigung für muslimische Mädchen und Frauen ist noch mehr als genug zu tun. In den drei bisher in Deutschland lebenden Generationen herrschen nach wie vor archaische Traditionen, die von Generation zu Generation weiter vermittelt werden und an denen nicht gerüttelt wird und auch nicht gerüttelt werden darf.

Es ist hilfreich, dass Serap Çileli und ihre Mitstreiter eine deutliche Sprache sprechen, für die sie immer wieder angefeindet werden, nicht nur von Muslimen, vor allem auch von allzugut meinenden Einheimischen. Sie lässt sich nicht klein kriegen und stellt fest: „Die Unterdrückung muslimischer Frauen öffentlich zu machen ist keine Ausländerfeindlichkeit und darf auch nicht als solche angesehen werden. Zwangsehe und Ehrverbrechen sind keine folkloristische Eigenheit der Zuwanderer, sondern eklatante Menschenrechtsverletzungen.“ Sie stellt klar:

■ Zwangsheirat ist sexuelle Nötigung
■ Zwangsheirat ist Menschenhandel
■ Zwangsheirat ist oft schwerer Kindesmissbrauch
■ Zwangsheirat kommt nicht selten durch Gewalt zustande
■ Wer sich Zwangsheirat verweigert, wird nicht selten aus der Familie ausgeschlossen und im Extremfall sogar ermordet.

Zwangsehe als Straftatbestand

Daraus zieht sie den Schluss: „Es ist für viele Frauen absolut lebensnotwendig, diese barbarischen Bräuche öffentlich anzuprangern. Denn nur so können wir diesen Unterdrückungsmechanismen ein Ende bereiten.“ Für Mädchen und junge Frauen, die von Zwangsheirat bedroht sind, müssen bessere Voraussetzungen und deutlich mehr Schutzeinrichtungen geschaffen werden. Zu ihrem Katalog an Forderungen gehört auch der Bereich Integrationsförderung durch Sprachförderung, schon in Kindergärten und allen Schulformen und vor allem auch für Importehefrauen und -männer.

Immerhin hat die Politik reagiert: Zwangsehen bilden seit 2011 einen eigenen Straftatbestand, der mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet wird. Opfer erzwungener Ehen, die ins Ausland verheiratet werden, haben jetzt ein deutlich längeres Rückkehrrecht. Auch wenn sie angefeindet oder von großen Sendern und Verlagen boykottiert wird, findet Serap Çileli Mittel und Wege, gehört zu werden. Sie ist vor allem im Internet präsent, mit ihrem vollen Namen auf Facebook, sie ist bei Twitter und auf YouTube vertreten, hat einen eigenen Blog im Internet unter www.cileli.de und natürlich ist auch der Verein peri e. V. mit einer eigenen Internet-Seite vertreten.

Seit 20 Jahren ist die streitbare Autorin in Sachen Gleichberechtigung für muslimische Frauen aktiv und dafür auch immer wieder ausgezeichnet worden. So sprach sie 2009 beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos, sie erhielt unter anderem das Bundesverdienstkreuz und den „Bul le Mérite“ vom Bund Deutscher Kriminalbeamter sowie den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage der Stadt Wiesbaden. Und sie lässt sich auf ihrem Weg keinen Maulkorb verpassen, von niemandem: „Ich werde weiterhin dafür kämpfen, dass das Leben für die muslimischen Frauen lebenswert wird.“

Ehrenmord an Jolin S.: Bericht zum ersten Prozesstag

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Jolin S. EhrenmordAm 8. Oktober 2013 begann in Wiesbaden der Ehrenmord-Prozess wegen des Mordes an Jolin S. Bei dem Angeklagten handelt es sich um Isa Sh., einem 23-jährigen in Kassel geborenen Studenten afghanischer Herkunft. Die Eltern der getöteten 22-jährigen Jolin treten als Nebenkläger auf.

Die Verhandlung begann nach Erledigung einiger juristischer Formalitäten mit der Verlesung der Anklageschrift, die sich wie folgt zusammenfassen lässt:

Der Angeklagte stammt aus einer den Werten der afghanischen  Heimat eng verbundenen Familie. Dem Vater war es z.B. wichtig, dass sein (erwachsener) Sohn nicht auswärts übernachte, woran dieser sich hielt, weil es ihm wichtig war, dass seine Eltern ihn für einen gehorsamen Sohn hielten.

Jolin lernte er in dem Café, in dem sie arbeitete, kennen und seit Anfang Dezember 2011 waren sie ein Paar.

Isa war Kontrollsüchtig

Die Beziehung war nicht unproblematisch. Der Angeklagte hatte mit Jolin zunächst ein kurzes sexuelles Verhältnis pflegen wollen, hatte dann aber tiefere Gefühle für sie entwickelt, was dann u.a. dazu führte, dass er damit begann, sie zu kontrollieren. Dieses Kontrollverhalten führte zu Problemen, weil Jolin davon ausgegangen war, dass es sich ohnehin nur um eine vorübergehende Liaison handelte.

Im Oktober/November 2012 kam es dann zu einer vorübergehenden Trennung. Jolin nahm zu der Zeit wieder Kontakt zu ihrem früheren Freund (ebenfalls afghanischstämmig) auf, der für sie offenbar die große Liebe gewesen war und mit dem sie zuvor eine dreijährige Beziehung führte.

Mitte Dezember wurde dann bei Jolin die Schwangerschaft festgestellt, wobei sich Jolin von Anbeginn an sicher war, dass der Isa der Vater war. Dies bestätigte im Nachhinein auch die Gen-Analyse.

Der Angeklagte hat Angst von seiner Familie ausgestoßen zu werden

Der Angeklagte wollte auf keinen Fall, dass Jolin das Kind bekam. Er hatte die Beziehung vor der Familie geheimgehalten, da ihm bewusst war, dass seine Eltern ihre Ehre verlieren würden, wenn er eine schwangere Freundin hätte, die nicht aus Afghanistan kommt. Der Angeklagte ging davon aus, dass er in diesem Fall von seiner Familie verstoßen würde. Diese waren schon mit der Verbindung des älteren Bruders zu einer marokkanischen Muslima nicht einverstanden.

Der Angeklagte selber teilte Jolins Ex-Freund mit, seine Familie werde ihn umbringen. In der Folgezeit forderte er Jolin immer drängender auf, eine Abtreibung vorzunehmen.  Jolin weigerte sich und teilte dem Angeklagten mit, sie wolle das Kind allein großziehen. Dies stellte für den Angeklagten eine weitere Demütigung dar: er sollte nun noch nicht einmal mehr Einfluss auf die Erziehung haben, denn das Kind sollte möglicherweise christlich großgezogen werden.

Der Angeklagte fasste daher scheinbar den Entschluss, Jolin und das ungeborene Baby zu töten. Am 5. Februar 2013 lauerte er ihr auf und tötete sie dann mit mehreren Messerstichen.

Der Angeklagte hörte der Verlesung der Akte mit ungerührter Miene zu

Im weiteren Verlauf wurde ein Kriminalbeamter gehört, der die Ergebnisse der Ermittlungen zusammenfasste. Er sagte aus, dass er noch am Tatabend den Angeklagten bei seiner Familie aufgesucht habe und ihm dort mitteilte, dass Jolin tot sei und den Angeklagten mitnehmen müssen. Laut dem Beamten habe Isa dies ungerührt zur Kenntnis genommen und im Weggehen seinen Eltern nur gesagt, er hätte ihnen schon noch von seiner Freundschaft zu Jolin erzählt, habe aber erst einmal die Klausuren abwarten wollen. Irgendeine Frage zu der Tötung habe der Angeklagte nicht gestellt, was den Ermittlern schon ungewöhnlich vorgekommen sei.

Auch der Ex-Freund der Getöteten wurde vernommen. Dieser, den Jolin als ihre große Liebe beschrieben hatte, berichtete, dass er sich in Jolins Familie aufgenommen fühlte und dass auch seine eigene Familie Jolin gern hatte. Auf den Vorhalt, dass er in der Zeit der vorübergehenden Trennung doch auch mit Jolin intim gewesen sei, gab der Zeuge zu Protokoll, dass habe er nur behauptet, auch, um den Angeklagten Isa zu ärgern.

Ein Mithäftling belastet Isa schwer

Einer der wichtigsten Zeugen im Prozess ist ein Mit-Insasse des Angeklagten aus dem Gefängnis in Frankfurt. Dieser hatte bereits in seinem eigenen Strafverfahren und auch bei der Polizei umfangreich über seine Gespräche mit dem Angeklagten berichtet, der ihm gegenüber die Tat gestanden habe. Seine Aussage wiederholte dieser Zeuge auch in der jetzigen Hauptverhandlung.

Der Isa habe ihm gesagt, er sei in Haft, weil man ihm vorwerfe, seine Freundin getötet zu haben. Bei dieser Äußerung sei der Angeklagte völlig ungerührt geblieben, was den Zeugen erheblich irritiert hätte: „Wenn meine Freundin so umgekommen wäre, hätte ich nicht so ungerührt darüber reden können.“

Irgendwann habe er dann Isa dazu aufgefordert die Wahrheit zu sagen, sonst wolle er nichts mehr mit ihm zu tun haben. Der Angeklagte habe ihm gegenüber dann die Tat gestanden und ihm auch detailliert beschrieben, wie alles passierte. Isa hätte die Tat schon länger geplant gehabt und habe Jolin dann im Hausflur aufgelauert. Erst habe er das Messer ihr von hinten in die Schulter gerammt, dann seien beide hingefallen. Jolin habe geschrieen, deshalb habe er noch zweimal von vorne in die Brust gestochen. Das Messer sei wie Butter in den Körper eingedrungen. Als er im Flur einen Schatten sah, sei er weggelaufen und das Messer sowie die Tatkleidung entsorgt. Um sich ein Alibi zu verschaffen, sei er dann in die Buchhandlung Hugendubel gegangen, um sich dort von Überwachungskamera filmen zu lassen. Die Polizei werde ihm niemals etwas nachweisen können. Allerdings stellte sich heraus, dass die Aufzeichnung eine Verzögerung von 18 Minuten hatte und wich von der Echtzeit ab.

Dem Zeugen war immer noch sein Erstaunen und Erschrecken darüber anzumerken, wie emotionslos und kalt der Angeklagte ihm das alles berichtet hatte.

Das Verfahren wird am 21. Oktober 2013 fortgesetzt

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 8.10.2013

Kontakt für weitere Informationen:
Pressestelle peri e.V.
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D-69469 Weinheim
E-Mail: kontakt(at)peri-ev.de
Internet: www.peri-ev.de

Ehrenmord an Jolin: »Frauen die nein sagen, wollen es doch erst richtig«

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Ehrenmord JolinSeit dem 8. Oktober 2013 steht der Afghane Isa wegen einem Ehrenmord in Wiesbaden vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, die erst 22-jährige Jolin und ihr ungeborenes Kind getötet zu haben. Am 21. Oktober 2013 fand der zweite Verhandlungstag statt, an dem die tragischen Ereignisse der Tat näher beleuchtetet wurden.

Zu Beginn wurde zunächst ein Kriminalbeamter gehört, der die Funkzellendaten der Mobiltelefone sowohl des Angeklagten als auch des früheren Freundes von Jolin, Ramin, und dessen Bruders ausgewertet hatte. Mit diesen Daten war es den ermittelnden Behörden möglich, ein ausführliches Bewegungsbild des Angeklagten zu erstellen. Ausgehend von diesen Daten habe sich Isa in der Zeit von 17:05 Uhr bis ca. 17:50 Uhr am Tattag in unmittelbarer Tatortnähe aufgehalten. Zum eigentlichen Tatzeitpunkt war das Mobiltelefon des Angeklagten offenbar ausgeschaltet. Oder zumindest war es über einen Zeitraum von ca. 35 Minuten nicht eingeloggt.

Die Mobiltelefone von Ramin und dessen Bruder waren zu keinem Zeitpunkt in der Funkzelle, die den Tatort versorgt, eingeloggt.

Der Ort, an dem der Vater des Angeklagten einen Imbiss betreibt und wo Isa sich laut seiner polizeilichen Aussage zur Tatzeit aufgehalten haben will, wird nicht von der Funkzelle versorgt, die für den Tatort zuständig ist.

Isa war kontrollsüchtig und einer anderen Frau versprochen

Eine Zeugin, die sowohl mit Jolin als auch mit dem Angeklagten befreundet war, beschrieb Isa als einen sehr höflichen Mann. Von Jolin habe sie aber erfahren, dass der junge Mann sie immer kontrollierte, immer wissen wollte wo sie war und mit wem sie sich aufhielt. Die Kontrollsucht des Angeklagten ging offenbar so weit, dass er Jolin anrief und ihr sagte, dass sie zu Bett zu gehen habe, sie fragte, wo sie sich aufhalte, was sie gegessen habe, was sie trank, mit wem sie zusammen war, ob sie rauchte usw.

Offenbar nahm Jolin diesen Wahn von Isa hin, da sie eine feste Partnerschaft suchte. Die Beziehung Jolins zum Angeklagten beschrieb die Zeugin als eine „On/Off-Beziehung“: Manchmal waren die beiden zusammen, dann wieder getrennt, wobei die Trennungen meist von Jolin ausgingen. Später habe Jolin dann erfahren, dass Isa bereits einer anderen Frau versprochen war.

Nachdem Jolin dem Angeklagten eröffnet hatte, dass sie schwanger war, sei dieser laut Jolin völlig ausgerastet und wollte unbedingt, dass sie eine Abtreibung vornehmen lässt. Jolin habe den Angeklagten als „völlig psycho“ bezeichnet, so die Zeugin.

Einige Freundinnen hatten Jolin geraten, sich vom Angeklagten zu trennen und jeglichen Kontakt abzubrechen.

Die befreundete Zeugin hingegen empfahl Jolin, den Angeklagten zu einem Frauenarzttermin mitzunehmen, weil er beim Anblick der Ultraschallbilder des Ungeborenen vielleicht Vatergefühle entwickeln könnte. Dies war allerdings nicht der Fall. Vielmehr hätte der Angeklagte Jolin noch dort gesagt, wenn sie das Kind nicht entfernen lässt, werde „sie ihn kennenlernen“.

„Ich will nicht, dass mein Kind mit dem Kopftuch aufwächst“

Jolin hatte auch Angst, dass der Angeklagte ihr das Kind vielleicht wegnimmt, wenn sie es bekäme. Sie hätte ausdrücklich geäußert: „Ich will nicht, dass mein Kind mit dem Kopftuch aufwächst“. Diesbezüglich habe es starke kulturelle Differenzen zwischen Jolin und dem Angeklagten gegeben, der sogar prüfte, ob Jolin Schweinefleisch isst. So habe sie bei seinen täglichen Kontrollanrufen auch mal gelogen und vorgegeben, Hühnchen zu essen.

Jolin habe bereits geplant, in eine andere Stadt zu ziehen, dann hätte der Angeklagte auch nichts mit dem Kind zu tun haben müssen, zumal ihr der Angeklagte drohte, sie umzubringen.

Auf die Zeugin habe der Angeklagte nicht gewalttätig gewirkt. Er hätte viel für Jolin getan, hätte geputzt, gekocht, aufgeräumt. Für sie erschien Isa eher „weich“. Erst mit der Kenntnis der Schwangerschaft sei er laut Jolin nicht mehr wiederzuerkennen gewesen. Er sei „völlig anders drauf“.

Isa wollte das Baby seinen Eltern verheimlichen

Ein Freund des Angeklagten bestätige vor Gericht, dass Isa das Kind ursprünglich nicht wollte. Später habe er aber seine Meinung geändert und angekündigt, das Kind akzeptieren zu wollen, da es ja nichts dafür könne.

Der Angeklagte hätte allerdings seinen Eltern nichts gesagt, sondern schlicht gehofft, dass seine sie von alle dem nichts mitbekommen. Daher sei es sein Wunsch gewesen, dass Jolin abtreibt. Außerdem habe der Angeklagte im Ausland studieren wollen. Auch aus diesem Grund sei ein Kind für ihn finanziell äußerst ungelegen gewesen.

Jolin hatte auch diesem Zeugen gegenüber geäußert, dass der Angeklagte sie bedroht habe, was dieser in einem Gespräch mit dem Zeugen allerdings bestritt: Jolin arbeite doch in einer Anwaltskanzlei – da säße sie doch an der Quelle und könne gegen ihn vorgehen, wenn er sie bedrohte.

Ihm gegenüber hätte der Angeklagte jedenfalls die Tat bestritten. Er hätte sehr mitgenommen gewirkt.

Isa: „Frauen die nein sagen, wollen es doch erst richtig“

Später wurde eine Zeugin gehört, die früher als Taxi-Unternehmerin die Arbeitgeberin des Vaters des Angeklagten war. Hin und wieder fuhr sie beim Imbissstand ihres ehemaligen Angestellten vorbeifuhr, um dort einen Kaffee zu trinken. Dort habe sie dann auch die Söhne, eben auch den Angeklagten, kennengelernt.

Isa hätte sie einmal angerufen, um sich mit ihr zu treffen. Sie hatte ihn zu sich gebeten, weil sie davon ausging, dass er Probleme hatte, die er mit ihr vielleicht besprechen wollte. Dieses Treffen entwickelte sich allerdings völlig anders als die Zeugin erwartete.

Der Angeklagte hätte beim Betreten der Wohnung unmittelbar versucht sie „anzumachen“. Als die Zeugin sich dies verbat, erklärt Isa, dass Frauen, die nein sagen, die Schlimmsten seien, weil sie es doch erst richtig wollten. Beim Verlassen der Wohnung habe er dann noch äußerst ordinär reagiert und ihr angeboten, sich jeder Zeit melden zu können, wenn sie ihre Meinung ändert. Sie solle sich aber nicht zu lange Zeit lassen, denn „wenn die Titten erst einmal bis zu den Knien hängen“, hätte er auch kein Interesse mehr. Derzeit sei ja noch alles an seinem Platz.

Die Zeugin war äußerst verblüfft, weil der Angeklagte auf sie immer sehr ruhig wirkte. Er habe ihr gegenüber geäußert, dass sie, die Zeugin, ihn offenbar auch für ein braves Bübchen hielt. Das sei gut, denn das zeige, dass er ein guter Schauspieler sei und sein Vater würde das ja dann auch glauben.

Der Zeugin war bekannt, dass der Vater des Angeklagten mit der Freundin des Bruders nicht einverstanden war, weil ihm deren familiärer Hintergrund nicht gefiel. Da der Bruder sich aber weigerte, seine Cousine zu heiraten, habe der Vater von seinem Sohn verlangt, auszuziehen, denn dann könne er sich damit vor der Familie rechtfertigen.

Jolin freute sich sehr auf das Kind und wollte es christlich erziehen

Anschließend wurde ein Zeuge gehört, der mit Jolin befreundet war. Jolin habe ursprünglich nur gutes über den Angeklagten berichtet. Erst als sie schwanger wurde, hätte der Angeklagte sich völlig verändert und habe immer gedroht, dass wenn Jolin nicht abtreibe, sie den Afghanen in ihm kennenlernen werde.

Der Isa hätte Jolin mehrfach vor dem Arbeitsplatz aufgelauert und ihr auch gedroht, das Kind wegzunehmen.

Noch am 3. Februar 2013 hatte dieser Zeuge Jolin besucht. Sie war sehr glücklich und erleichtert, dass der angeklagte Isa sie seit einigen Tagen in Ruhe ließ.

Auf Antrag der Nebenklage wurde der jüngere Bruder von Jolin via Videokonferenz vernommen, um ihm eine Konfrontation mit dem Angeklagten zu ersparen.

Jolin zeigte ihrem Bruder die SMS, die sie vom Angeklagten bekommen hatte. In diesen standen oft Beleidigungen, die ihr sehr nahe gingen. Nach dem Besuch beim Frauenarzt habe der Angeklagte vor der Praxis gestanden und auch dort verlangt, dass Jolin abtreiben solle, sonst kämen sein Vater und sein Bruder und Jolin könne etwas erleben. Jolins Bruder erlebte die Situation als sehr bedrohlich und weinte, weil er Angst um seine Schwester hatte. Diese habe sich sehr auf das Baby gefreut und auf keinen Fall abtreiben wollen. Es stand für sie auch fest, dass das Kind keinesfalls muslimisch aufwachsen sollte, sondern sie wollte es christlich erziehen.

Laut Jolin sei die Familie des Angeklagten sehr gläubig gewesen. Häufig hätte der Angeklagte SMS geschickt, dass er nicht telefonieren könne, weil er in der Moschee war. Angeblich sei der Bruder des Angeklagten bereits von der Familie verstoßen worden, weil auch seine Frauenwahl den Grundsätzen des Vaters entgegen lief.

Anschließend wurde eine weitere Freundin von Jolin gehört, die im Januar 2013 tageweise bei Jolin gewohnt hatte. Sie bestätigte, dass der Angeklagte immer wieder Drohungen ausgestoßen hatte, um Jolin zur Abtreibung zu veranlassen.

Auf die Frage des Richters, wie Jolin zu ihrer Schwangerschaft stand, kamen der Zeugin dann die Tränen: Jolin hätte sich sehr auf das Kind gefreut. Die  Zeugin berichtete, dass sie Jolin oft Nahe legte, in eine andere Stadt zu fliehen, da Isa sie niemals in Ruhe lassen werden. Jolin hatte tatsächlich bereits Pläne nach Hamburg oder Berlin zu gehen, um dort ein neues Leben, in sicherer Entfernung zu Isa, aufzubauen.

Die Zeugin hatte auch einen Brief gesehen, den Jolin an die Familie des Angeklagten schreiben wollte und schon begonnen hatte. Sie hatte darin von ihrer Schwangerschaft berichtet und sich offenbar, worauf die Formulierungen hätten schließen lassen, Hilfe erhofft, damit der Angeklagte sie endlich in Ruhe ließe.

Das Verfahren wird am 4. November 2013 fortgesetzt.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 21.10.2013

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Ehrenmord an Jolin: »Mach den Fleischklops weg«

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Jolin EhrenmordEin tragischer Ehrenmord: Jolin war erst 22 Jahre jung, als sie von Isa ermordet wurde. Der 23-jährige Afghane wollte Jolins Schwangerschaft vertuschen, weil er Angst hatte von seiner muslimisch geprägten Familie, wegen seiner Beziehung zu einer Deutschen, ausgestoßen zu werden. Nun steht Isa seit dem 8. Oktober 2013 in Wiesenbaden vor Gericht und musste sich gestern dem dritten Prozesstag stellen.

Zu Beginn des dritten Verhandlungstages wurde zunächst der ehemalige Arbeitgeber von Jolin gehört, in dessen Rechtsanwaltskanzlei sie als Sekretärin beschäftigt war. Der Zeuge bezeichnete Jolin als eine ausgesprochen qualifizierte Kraft, die auch positiv auf die Menschen zuging. Jolin erzählte ihrem Arbeitgeber im Dezember 2012, dass sie schwanger und zunächst nicht sicher war, ob sie das Kind behalten wollte. Diese Unsicherheit sei aber nur kurzzeitig gewesen.

Etwa 2 Monate später, im Januar 2013, erzählte Jolin dem Zeugen von ihrem damaligen Freund Isa und dass sie sich sehr von ihm bedroht fühlte. Ihre Angst sei deutlich spürbar gewesen. Ihr Arbeitgeber, der Zeuge, hatte ihr aus diesem Grund empfohlen, zunächst besser nicht zu Hause zu übernachten. Die Bedrohungslage sei entstanden, weil ihr Freund nicht wollte, dass Jolin das Kind austrug. Der Zeuge konnte sich noch genau an den Wortlaut von Jolins Erzählung erinnern. Ihr Freund wollte, dass »sie den Fleischklops wegmache« – diese Diktion werde er nie vergessen.

Jolins Vorfreude auf ihr Kind war unübersehbar

Eine Freundin von Jolin, die ebenfalls vor Gericht vernommen wurde, erzählte, dass sie über die Schwangerschaft erst von Jolins Mutter erfuhr. Daraufhin habe die Zeugin Jolin via E-Mail gratuliert, aber sie gleichzeitig auch darauf hingewiesen, dass sie sich das Ganze gut überlegen solle. Zu diesem Zeitpunkt hatte Jolin allerdings ihre Entscheidung bereits getroffen und eine Abtreibung absolut ausgeschlossen.

Zwischenzeitlich hätte Jolin sogar die Hoffnung in sich getragen, dass Isa sich doch zu ihr und dem Kind bekennen würde. Der Angeklagte musste sich entscheiden und wurde vor die Wahl gestellt: Entweder steht er zu Jolin und ihrem gemeinsamen Kind oder zu seiner Familie, die diese Beziehung nicht duldete. Für einen kleinen Moment schien es, als hätte Isa sich für Jolin und das Baby entschieden, doch dieser Anflug von Verantwortungsgefühl hielt nicht lange an und so begann Isa wieder Jolin unter Druck zu setzen. Sie sollte um jeden Preis abtreiben!

Die Zeugin erinnerte sich noch daran, dass Jolin ihr ein Ultraschallbild des Ungeborenen geschickt hatte, mit der Anmerkung: »Guck mal, es lutscht schon am Daumen.«

»Isa ist ein totaler Psycho«

Die Nachbarin von Jolin hatte viele Streitigkeiten zwischen ihr und Isa mitbekommen und wurde als Zeugin vor Gericht geladen. Die Zeugin erfuhr im Dezember 2012 von Jolins Schwangerschaft und berichtete, dass die Schwierigkeiten zwischen ihr und Isa seit der Schwangerschaft stark zugenommen hatten. Die Zeugin konnte in ihrer Wohnung hören, dass Isa im Januar Jolin anbrüllte, sie solle abtreiben.

Die Zeugin hatte Isa im Januar zwei Mal im Hausflur gesehen, wo er auf Jolin wartete, die aber nicht kam. Am 28. Januar 2013 habe Jolin ihr eine Nachricht geschickt, dass Isa »total Psycho« sei. Dies veranlasste einen der Verteidiger nachzufragen, ob es sich bei dieser Äußerung vielleicht um einen Kosenamen gehandelt haben könne.

Isa selber hatte diese Zeugin via Facebook angeschrieben und sie aufgefordert, auf Jolin einzuwirken damit sie endlich abtreibe. Sie erhielt vom Angeklagten immer mehr Nachrichten dieser Art und sie bekam selber Angst, als an manchen Tagen nacheinander derartige Aufforderungen bei ihr eingingen.

Die Nachbarin berichtete, dass Jolin ihr gegenüber äußerte, dass Isas Vater nichts von dieser Beziehung wusste und auch nicht wissen durfte. Doch Jolin wollte das Kind auf jeden Fall und war auch bereit, auf Unterhaltungszahlen zu verzichten und das Kind alleine groß zuziehen.

Am Tatabend war die Zeugin zu Hause und hatte die Hilferufe einer anderen Nachbarin gehört.

Isas Vater wechselte die Straßeseite, wenn er Isa und Jolin zusammen sah

Jolin vertraute sich unmittelbar nach dem Arztbesuch einer Arbeitskollegin an und brach sofort in Tränen aus. Auch diese Zeugin bestätigte dem Gericht, dass Jolin enorm unter Druck gesetzt wurde abzutreiben. Die befreundete Kollegin und Zeugin empfahl Jolin daraufhin dringend mit ihrem gemeinsamen Arbeitgeber zu sprechen, der zuvor in der Verhandlung gehört wurde. Jolin befand sich damals noch in der Probezeit, doch die Zeugin versicherte, dass die Kanzlei sehr sozial eingestellt sei und man bestimmt eine gemeinsame Lösung finden könne.

Dieses Gespräch verlief offenbar sehr gut, denn danach habe sich Jolin sehr auf das Kind gefreut. Sie habe allerdings immer wieder SMS von ihrem Freund bekommen, der ihr weiterhin Druck machte.

Jolin hatte dieser Zeugin auch einmal erzählt, dass Isas Vater die Straßenseite wechselte, wenn er seinem Sohn in Begleitung von Jolin in der Stadt begegnete.

Entsetzliche Schreie alarmierten die Nachbarschaft

Noch am dritten Verhandlungstag wurde auch die Zeugin gehört, die seinerzeit den Notruf getätigt hatte. Diese hatte sich gerade zum Abendessen hingesetzt, als sie einen Schrei hörte, bei dem sie zunächst dachte, es handele sich um einen Hund.

Nach 2 Minuten hörte sie weitere Schreie, die nach ihrer Meinung von oben kamen. Es hörte sich an, als ob ein Mann und eine Frau schrien. Als die Schreie nicht aufhörten, habe die Zeugin dann die Tür geöffnet, aber niemanden gesehen und auch nichts mehr gehört. Sie habe dann die Treppe hinuntergeschaut und an der untersten Stufe eine Gestalt liegen sehen. Da der Mensch sich nicht bewegte und auch auf ihr »Hallo« nicht reagierte, habe sie zum Telefon gegriffen und die 112 angerufen.

Es seien dann relativ schnell die Feuerwehr und auch der Rettungswagen gekommen.

Isa wollte Jolin nur »flachlegen«, wie man das mit deutschen Frauen eben macht

Anschließend wurde Jolins Mutter gehört, die der Verhandlung täglich folgt, ebenso wie Jolins Vater.

Sie beschrieb das Verhältnis zwischen ihr und Jolin als nicht unproblematisch. Manchmal habe man sich eben nicht so gut verstanden, so die Mutter. Trotzdem war sie immer für Jolin da und half ihr auch bei der Suche nach einer neuen Wohnung.

Jolin hatte ihrer Mutter damals erzählt, dass im Café »Extrablatt« jemand arbeitet, den sie interessant fand. Sie sei dann mit einigen Freundinnen und mit Jolin dorthin gegangen und man sei mit Isa, der dort arbeitete, ins Gespräch gekommen. Zum Schluss hätten Jolin und Isa Telefonnummern ausgetauscht. Wie sich das mit Jolin und Isa weiterentwickelt hatte, das habe sie nicht so genau mitbekommen. Jolins Mutter hatte jedenfalls den Eindruck, dass Jolin Ersatz für Ramin suchte, ihren Ex-Freund, ihn aber auch in Isa nicht finden konnte.

Sie hatte aber mitbekommen, dass es zwischen Jolin und Isa viele Streitigkeiten gab, die insbesondere auf die Kontrollsucht und die Eifersucht von Isa zurückzuführen waren. Isa habe Jolin völlig eingeengt. Er habe sie nach seinen Vorstellungen formen wollen, aber dafür war Jolin zu selbständig. Zeitweilig seien in Minutentakt Kontrollanrufe gekommen.

Auch sexuell habe sich Jolin mit Isa nicht wohlgefühlt, da dieser keine Rücksicht auf ihre Bedürfnisse nahm. Isa hatte Jolin mal erzählt, dass er sie ursprünglich nur mal »flachlegen« wollte, so wie er das mit deutschen Frauen eben machte.

Am 21. Dezember 2012 hatte Jolin ihrer Mutter eine E-Mail geschickt und ihr von der Schwangerschaft berichtet. Die Mutter hatte sich riesig gefreut. Sie hatte schon den Eindruck, dass Jolin das Kind gern mit einem Vater großgezogen hätte, aber schon nach kürzester Zeit war klar, dass Isa nicht zu dem Kind und zu Jolin stehen würde. Dies wäre nur möglich gewesen, wenn Isa sich von seiner Familie vollständig zurückgezogen und jeglichen Kontakt abgebrochen hätte. Dies hatte Isa wohl auch zunächst in Aussicht gestellt, aber schon nach kürzester Zeit war davon dann keine Rede mehr.

Auf Nachfrage erklärte Jolins Mutter, dass sie davon ausging, dass Jolin ihr Kind weltoffen erziehen wollte, weder als Muslim noch als Christ. Allerdings sei ein Kopftuch für sie nicht in Frage gekommen.

Jolin war verletzt gewesen, dass Isa sie nie seiner Familie habe vorstellen wollen, denn dies hatte für Jolin zu einer Beziehung dazugehört.

Isas Verteidigung plädiert auf unschuldig

Isas Anwälte versuchen Jolins Ex-Freund Ramin als Täter aufzubauen. Aus diesem Grund wurde Ramins Alibi überprüft, der sich zur Tatzeit beim Zahnarzt aufhielt. Die behandelnde Zahnärztin wurde als Zeugin geladen, die bestätigte, dass Ramin um 17 Uhr in die Praxis kam.

Aufgrund starken Patientenaufkommens musste Ramin erst noch eine Weile warten und wurde im Anschluss etwa eine Stunde lang behandelt. Die Zeugin ist sich sicher, dass es sich bei dem von ihr behandelten Patienten um Ramin handelte, dessen Röntgenbilder von dem früheren Zahnarzt ihr vorgelegt wurden.

Die Verteidigung stellte noch einige Anträge, um weitere Zeugen zu vernehmen, insbesondere um nachzuweisen, dass der frühere Mitinsasse der JVA, der Isa gleich am 1. Verhandlungstag schwer belastet hatte, sich seine Geschichte weitgehend ausgedacht hätte.

Zuletzt wurde der Notarzt gehört, der zum Einsatzort gefahren war und dort um 18:41 Uhr ankam. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Jolin bereits im Rettungswagen und man versuchte sie noch vor Ort zu reanimieren. Doch Jolin hatte schon sehr viel Blut verloren und es waren 2 Stichwunden in den linken Brustkorb erkennbar. Herzschlag war nicht mehr feststellbar. Rückblickend resümierte der Arzt, dass Jolin wohl schon bei seinem Eintreffen verstorben war. Man habe sich aber auch deshalb besonders bemüht, weil es sich um eine so junge Frau handelte.

Die Verhandlung wird am 11. November 2013 fortgesetzt.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 4.11.2013

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Ehrenmord an Jolin: »Wenn das rauskommt, bin ich tot«

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Jolin EhrenmordDer angeklagte Isa, der wegen Mordes in Wiesbaden vor Gericht steht, war am 4. Prozesstag sichtlich gut gelaunt. Der 23-jährige Afghane tötete Jolin S. und ihr ungeborenes Baby, weil er keine Schande über seine Familie bringen wollte. Unsere Gerichtsreporterin Brigitta Biehl hat auch von diesem Verhandlungstag ihre Beobachtungen zusammengefasst.

Zu Beginn des Prozesses präsentierte die zuständige Gerichtsmedizinerin ihr Gutachten zum Ehrenmord. Laut ihren Ausführungen starb Jolin an 3 Stichen, die ihr mit einem scharfen Gegenstand beigebracht wurden, und zwar in den linken Thoraxbereich. Verletzt wurden dabei Herz, Lunge und auch die Leber. Die Stiche seien kurz nacheinander gesetzt worden und waren jeder für sich geeignet, den Tod herbeizuführen. Ein erheblicher Kraftaufwand sei beim Einstich nicht notwendig gewesen, wenn Jolin keine sehr dicke Jacke angehabt hätte. Zwar merkt man den Widerstand, wenn ein Messer die Haut überwinden muss, doch dann gleite ein Messer, das nicht auf Widerstand durch Knochen stößt, in den Körper wie »durch Butter«, so die genauen Worte der Gutachterin.

»Wenn das rauskommt, bin ich tot«

Im Anschluss an die Gerichtsmedizinerin wurde eine Bekannte von Jolin gehört, die laut ihrer Aussage mit Isa nur kurzen Kontakt hatte. Dieser hätte sie gebeten auf Jolin einzuwirken, damit sie das Kind abtreibt. Diesem Appell folgte die Zeugin und führte ein Gespräch mit Jolin, um sie von einer Abtreibung zu überzeugen, ohne ihr gegenüber zu erwähnen, dass Isa sie mit dieser Bitte am Arbeitsplatz aufsuchte. Die Zeugin bestätigte dem Gericht Isas Sorge und Angst, dass seine afghanische Familie ihn ausstoßen werde, sollte Jolin das Kind zur Welt bringen.

Die weitere Befragung der Zeugin gestaltete sich schwierig, weil sie behauptete, keinen weiteren Kontakt mit Isa gehabt zu haben. Allerdings wurden ihr Nachrichtenauszüge aus Facebook und der Chat-Software »Whatsapp« vorgelegt, die von der Polizei gesichert wurden. Die Zeugin gab an, sich nicht an diesen Austausch erinnern zu können, obwohl es sich um ein 15-seitiges Dokument handelt, das von den Beamten ermittelt wurde. Unter anderem findet sich folgender Satz von Isa  im Chatprotokoll mit der Zeugin:  »Ich bin echt verzweifelt, sie soll abtreiben, wenn das rauskommt, bin ich tot.«

Bei der vorgerichtlichen Vernehmung durch die Polizei schilderte die Zeugin ein Gespräch mit Jolin, in dem Jolin von Isas Ausrastern erzählte. So soll der Angeklagte geschrien und gedroht haben, er würde Jolin, sollte sie das Kind nicht abtreiben, umbringen und ihr das Baby aus dem Bauch treten.

Isa war nicht geschockt über die Ermordung von Jolin

Eine Zeugin, die gemeinsam mit Isa und seinem Bruder an der Fachhochschule in Rüsselsheim studiert, beschrieb den Angeklagten an einen netten, ruhigen und hilfsbereiten Kommilitonen, mit dem sie hin und wieder gemeinsam lernte. So auch am Tag des Mordes am 5. Februar 2013. Weil Isa angeblich noch Besorgungen für seinen Vater machen musste, verließ er die Lernrunde zwischen 16 und 17 Uhr.

Etwa um 19 Uhr bekam die Zeugin einen Anruf von  Isa, der ihr nur erzählen wollte, dass er sich derzeit in einer Buchhandlung befinde. Die Angerufene war über diese Mitteilung verwundert und wusste nicht, warum er ihr dies telefonisch mitteilte. Er habe ihr ja sonst auch nicht mitgeteilt, wenn er in irgendeinem Laden war. Er hätte auch nichts anderes gesagt, als dass er jetzt in dieser Buchhandlung sei.

Am nächsten Morgen, am 6. Februar 2013, sah die Zeugin mehrere entgangene Anrufe, die alle von Isa stammten. Also rief die Zeugin ihn an, um sie fragen, was denn los sei. Isa hätte dann nur gesagt: »es ist etwas passiert, ich erzähle es dir gleich in der FH.« Tatsächlich berichtete er der Zeugin dort, dass seine Ex-Freundin Jolin erstochen wurde und er der Tat verdächtigt werde.

Offenbar von den Umständen unbeeindruckt, schrieb der Angeklagte gemeinsam mit der Zeugin noch eine Klausur, die er ungewöhnlich früh abgab. Zwischen der 1. und der 2. Klausur war die Zeugin noch mit Isa, seinem Bruder und weiteren Kommilitonen zusammen und wunderte sich, dass Isas Bruder völlig ungerührt war – als interessiere ihn das Geschehen nicht und auch die Tatsache, dass sein Bruder des Mordes verdächtigt wurde, berührte ihn augenscheinlich nicht. Auf Nachfrage der Zeugin, wen Isa denn als Täter in Verdacht habe, nannte er Jolins Ex-Freund Ramin. Sie empfand Isa nicht als sehr geschockt, allerdings glaubte sie zwischendurch Tränen in seinen Augen gesehen zu haben.

Die Zeugin berichtete weiter, dass sie und ihr Mann einmal bei Isa und seinem Bruder (die Eltern waren nicht anwesend) zum Fastenbrechen waren. Sie hält Isa für nicht besonders gläubig, denn er wisse praktisch kaum etwas über den Islam. Isas Bruder hingegen sei da völlig anders, und auch seine übrige Familie sei wohl sehr streng religiös, so die Zeugin. Sie berichtete auch vor Gericht, dass Isas Bruder seine ehemalige Freunde verlassen und nun mit seiner Frau verlobt sei, die sein Vater für ihn ausgesucht hat.

Ohne Scham – Isa grinste Jolins Vater an und zwinkerte ihm zu

An diesem 4. Verhandlungstag war die Anhörung von Jolins Vater ein besonders bewegender, aber auch spannungsgeladener Zeitpunkt. Als er auf dem Zeugenstuhl Platz nahm, kam es zu empörten Rufen im Zuschauerraum, weil Isa, der ansonsten bislang keinen der Zeugen ansah, Jolins Vater scham- und taktlos angrinste und ihm zuzwinkerte. Dies war ein völlig unangemessenes Verhalten. Ungerührt von Isas Verhalten, entgegnete Herr S. vor Gericht, dass der Angeklagte dies alles für wohl witzig  hält.

Zu Beginn beschrieb der Zeuge, dass er eine sehr gute Beziehung zu seiner Tochter hatte, die auch nach ihrem Auszug fast jedes Wochenende mit ihm Zeit verbrachte. Den Angeklagten traf Herr S. mehrfach, unter anderem bei Jolins Umzug. Er war auch darüber unterrichtet, dass Isa sie ständig anrief und nahezu stalkte. Er wollte immer wissen, was sie gerade macht und tauchte manchmal auch plötzlich bei ihr auf, so der Vater.

Als Jolin ihrem Vater von der Schwangerschaft erzählte, sei er absolut dagegen gewesen. Weniger gegen die Schwangerschaft an sich, sondern, dass seine Tochter ein Kind »von diesem Mann« bekommt. Er habe bei Isa nur Probleme gesehen, hätte Jolin aber gesagt, dass er sie auf jeden Fall unterstützen werde – nur der Geldhahn, der bliebe zu. Er hatte gehofft, dass Jolin bei dieser Äußerung vielleicht doch eine Abtreibung in Erwägung zieht, da sie doch gerade ihr Leben mit einer guten  Arbeitsstelle auf die Reihe bekommen hatte.

Jolins Vater berichtete dann im Weiteren von dem Tag, an dem er gemeinsam mit seinem Sohn und Jolin beim Frauenarzt war. Zu seiner Überraschung habe Isa da schon  in der Praxis gesessen. Offenbar hatte auch Jolin nicht mit ihm gerechnet. Plötzlich habe Isa aufgeschrien, Jolin solle sofort abtreiben, denn sie hätte noch 2 Wochen Zeit.

Gegenüber Herrn S. hatte Isa dann auch darauf angespielt, dass Jolin ihn mit Ramin betrogen habe.  Und im Übrigen sei Ramin gar kein echter Afghane, im Gegensatz zu ihm und seiner Familie, so Isa. Dann habe Isa Jolin mit einem eiskalten Blick angesehen und gefragt, was sie glaubt, was passieren würde, wenn sein Vater und Bruder von der Schwangerschaft erfahren. Gleichwohl habe man aber auch Verzweiflung in seinen Augen gesehen, so der Vater von Jolin.

Der Zeuge empfand die Situation als äußerstbedrohlich und wollte eigentlich zur Polizei gehen, doch seine Tochter Jolin hielt ihn davon ab. Sie glaubte fälschlicherweise, dass Isa hätte sowieso nichts machen können. Kurz vor ihrem Tod hatte Jolin noch einmal mit ihrem Vater telefoniert und ihm gesagt, dass sie seit einigen Tagen nichts mehr von Isa gehört hatte und dies als merkwürdig bezeichnete.

Isa war bereits einer Afghanin versprochen

Für Isas Familie sei die Schwangerschaft eine Schande gewesen. Jolin wusste allerdings offenbar von Anfang an, dass Isa einer Afghanin versprochen war.

Der Zeuge wurde dann auch noch kurz zum Ex-Freund seiner Tochter Ramin befragt: Dieser sei ihm zunächst sympathisch gewesen, nachdem er aber erfahren hatte, dass Ramin in kleinkriminelle Aktivitäten verstrickt war, hätte er auch nicht mehr gewollt, dass Jolin zu ihm engeren Kontakt hielt.

Offenbar im Hinblick auf die nun seit Tagen immer wieder in sämtlichen Aussagen auftauchende Tatsache, dass für Isas Familie die Beziehung zu einer deutschen Frau eine Ehrverletzung und eine Schande darstellte, versuchte einer der Verteidiger nun den Spieß herumzudrehen und fragte Herrn S., ob er etwas gegen Afghanen habe. Der Zeuge, ein amerikanischer Staatsbürger, verwies darauf, dass sein Land Krieg gegen Afghanistan führte und dass viele seiner Landsleute dort ums Leben gekommen seien. Trotzdem finde er es richtig, dass die Amerikaner den afghanischen Bürgern Hilfe leisteten. Der Verteidiger hakte nach: »Aber sie wollen sie (Afghanen) nicht in ihrer Familie haben?« Herr S.: »Nach meinen Erfahrungen: So ist es.«

Abschließend wurde der schon mehrfach erwähnte Brief, den Jolin an Isas Vater entworfen hatte, vorgelesen: ».. ich bin mit Isa zusammen und bin von ihm schwanger geworden. .. Ihr Sohn terrorisiert mich… Ich bin katholisch erzogen und bin gegen Abtreibung. … Er macht mir Angst, ich kann so nicht leben. … Er sagte mir, solange sein Kind in mir wächst, könne er mit mir machen was er will. Ich weiß nicht, was er damit sagen will, aber  ich werde mein Kind nicht töten. … Ich weiß, dass eine außereheliche Schwangerschaft und noch dazu mit einer Deutschen eine Schande für Ihre Familie ist…«

Das Verfahren wird am 25. November 2013 fortgesetzt.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 11.11.2013

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Peri e.V. mahnt zum Gedenken: Gewalt gegen Frauen ächten!

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Gegen Gewalt an FrauenUnser Verein zeigt Gesicht! Am Montag den 25. November 2013, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, gedenkt Peri e.V. aller Ehrenmord-Opfer in Deutschland und in anderen Teilen der Welt.

Vor dem Hintergrund dieses Gedenktages erklärt Serap Cileli, erste Vorsitzende von Peri e.V.: “Meine alltägliche soziale und politische Menschenrechtsarbeit versteht sich als Plädoyer für das Ende der Ungleichheit und Unfreiheit der Frauen. Meine Solidarität gilt den weiblichen Opfern von Menschenrechtsverletzungen.”

Noch immer steht die deutsche Politik dem Phänomen “Ehrenmord” hilflos gegenüber, denn zwar werden bei bekannt gewordenen Fällen Täter bestraft und zur Rechenschaft gezogen, eine öffentliche Thematisierung der gesellschaftlichen Strukturen, die Ehrenmorde überhaupt erst begünstigen, findet jedoch allenfalls in Ansätzen statt. Dabei zeigen jüngere wissenschaftliche Untersuchungen immer wieder, dass Ehrenmorde ohne ein entsprechendes soziales Umfeld, in dem nach wie vor strenge traditionelle Verhaltensregeln für Mädchen und Frauen gelten, gar nicht denkbar sind. Aus Ängstlichkeit und falscher Rücksichtnahme bleibt es bis heute jedoch bei eher zaghaften Versuchen, in diese Milieus aufklärerisch hineinzuwirken.

Peri e.V. verurteilt vor diesem Hintergrund alle Menschenrechtsverletzungen, deren Grundlage archaische Ehrvorstellungen und das reaktionäre Festhalten an traditionellen Geschlechterrollen sind. Noch immer werden minderjährige Mädchen verheiratet, noch immer müssen in manchen Einwanderermilieus Schwule und Lesben um ihr Leben fürchten, wenn ihre Veranlagung bekannt wird. Viel zu oft werden solche Missstände als kulturelle Eigenarten verteidigt. Wer schweigt, stimmt zu.

Der aktuell in Wiesbaden verhandelte Fall um den Tod der schwangeren Jolin S. (22) muss der deutschen Gesellschaft als Mahnung und Aufforderung zum engagierten Handeln gelten: Als Hauptverdächtiger gilt Jolins afghanischer Ex-Freund, in dessen Familie die Beziehung zu einer Deutschen und vor allem das gemeinsame Kind als Schande galten. Zu Recht fragt daher Jolins Mutter: “Wie lange sollen wir noch schweigen und alles hinnehmen? Wann werden Gesetze verabschiedet, mit denen man präventiv handeln kann, damit das Leben unserer Kinder geschützt wird? “

Fast 40 Prozent der türkischstämmigen Frauen in Deutschland gaben bei einer Befragung an, dass der Ehemann in bestimmten Fällen das Recht habe, die Ehefrau zu schlagen. Im Hinblick auf Menschenrechte kann es kein Zweiklassensystem geben! Peri e.V. fordert, dass auch die Rechte von Frauen mit muslimischem oder jesidischem Migrationshintergrund gewahrt werden und die Politik nicht länger die Augen verschließt. Richtige Schritte in diese Richtung wären die Einführung eines internationalen Tages zum Gedenken an Ehrenmordopfer sowie das Setzen von Gedenksteinen und -tafeln für alle bisher bekannt gewordenen Ermordeten.

Mit der Aktion “#FaceTheTruth” wollen Peri-Mitglieder nun ein Zeichen setzen. Innerhalb einer Fotostrecke zeigen wir unser Gesicht und erklären, warum wir uns als “peri” für die Beseitigung von Gewalt an Frauen engagieren.

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Ehrenmord-Prozess: Verteidigung beantragt Aufhebung des Haftbefehls

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Jolin Ehrenmord WiesbadenAm 25. November 2013 fand der fünfte Verhandlungstag im Ehrenmord-Prozess in Wiesbaden statt. Dem angeklagten Isa wird vorgeworfen, die erst 22-jährige Jolin S. und ihr ungeborenes Kind getötet zu haben.

Zu Beginn der Verhandlung wurde der Koordinator der Ermittlungen angehört, der sehr ausführlich den Gang der Untersuchungen darstellte. Der Zeuge beschrieb auch, dass zunächst Jolins früherer Freund Ramin als tatverdächtig galt, dann aber doch relativ schnell ausgeschlossen werden konnte. Isa sei anfangs nicht der Tat verdächtigt worden, weswegen seine Wohnung erst etwa eine Woche später durchsucht und seine Kleidung, die er am Tattag getragen hatte, sichergestellt wurde.

Die Handydaten verraten, dass Isa im Haus von Jolin war

Der Beamte erläuterte auch noch einmal die Auswertung der Handydaten mit der sehr deutlichen Aussage, dass der Standort des vom Vater betriebenen Hähnchengrills unter keinen Umständen von der sog. Tatortfunkzelle hätte bedient werden können. Er verwies darauf, dass selbst das LKA mit seinen hochsensiblen Geräten keinen Empfang dort über den Tatortfunkmast erhielt. Umso weniger könne dies bei dem relativ alten Gerät von Isa der Fall gewesen sein. Anhand der Funkdaten wisse man auch, dass Isa schon am 4. Februar 2013 um die gleiche Uhrzeit im Haus von Jolin gewesen sei. Diese habe er dort aber nicht antreffen können, weil sie nach der Arbeit unmittelbar zum Fitnessstudio ging.

Der Zeuge berichtete auch von einem Spürhundeinsatz, der die Beamten von Jolins Wohnung zur Buchhandlung Hugendubel führte. Man habe auch einen weiteren Spürhund (sog. Bluthund) eingesetzt, um die Tatwaffe zu lokalisieren. Dies sei allerdings nicht gelungen. Ebenso beschrieb der Beamte, dass einer Zeugin nacheinander 10 Bilder gezeigt wurden. Auf den Fotos waren 5 Vergleichspersonen, Isa, sein Vater, Bruder sowie Ramin und sein Bruder abgebildet. Diese Zeugin, die einen Mann gesehen hatte, schloss alle Männer bis auf Isa und seinen Bruder aus.

Der Mörder wählte den Tatort mit Bedacht

Ferner erläuterte der Beamte im Zeugenstand auch noch die Übereinstimmung der Aussage des bereits angehörten Zellengenossen von Isa, der am 1. Verhandlungstag seine Aussage gemacht hatte, mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort: so habe es sich bei dem Tatort, dem Eingangsbereich des Wohnhauses, tatsächlich um den „idealen Abpassort“ gehandelt im Vergleich zu anderen Orten, an denen sich Jolin aufhielt. Der Eingangsbereich war überschaubar, man wusste sofort, wenn sich jemand näherte. Wäre jemand von außen gekommen, hätte ein Täter die Tür mit dem Fuß zuhalten können und auch eine Flucht wäre über den Hof relativ leicht zu bewerkstelligen gewesen.

Isas Leben war ein Spagat zwischen Moderne und Tradition

Der Polizeibeamte konnte sich auch noch daran erinnern, dass an Isas Kleiderschrank ein Zettel hing, mit dem sein Bruder ihn daran erinnerte, die Gebetszeiten einzuhalten.

Hier erlaubte sich der Zeuge ein Abschweifen: angesichts des Spagats, in dem Isa lebte, nämlich außerhalb der Familie die westliche Welt mit ihren Freiheiten, innerhalb der Familie aber archaische Traditionen, die das familiäre Leben prägten, sei für ihn, den Zeugen, die Verzweiflung von Isa, die dann wohl letztlich zur Tat geführt haben mag, verständlich.

Der Zeuge verwies noch auf den Eindruck der Kollegen, die Isa seinerzeit festgenommen hatten: dieser habe sich äußerst kooperativ gezeigt. Es sei allerdings auffällig gewesen, dass er nicht danach gefragt habe, was denn genau passiert sei, sondern sich mehr damit beschäftigte, sein eigenes Alibi zu präsentieren.

Die Verteidigung beantragt Aufhebung des Haftbefehls

Weiter im Prozess wurde der Leiter der Filiale Hugendubel in Wiesbaden vernommen. Dort will sich Isa zum Tatzeitpunkt aufgehalten haben, denn auf die Videoaufzeichnung stützt er sein Alibi. Allerdings hatten die Polizisten bereits bei den Ermittlungen festgestellt, dass die Uhrzeit der Videoaufzeichnung nicht der tatsächlichen Uhrzeit entspricht. Dies war mit einem Handy, das in die Kamera gehalten wurde, dokumentiert worden.

Der Filialleiter bestätigte, dass es entsprechende Abweichungen gegeben haben könne, die ihm bis zur Ladung allerdings nicht bekannt waren. Er selber habe nach der Vorladung dies überprüft und – jedenfalls am vergangenen Donnerstag –  eine Abweichung von 14 Minuten festgestellt. Er sei allerdings nicht für die Synchronisation der Uhren zuständig. Offenbar wird das aber auch nicht von den eingesetzten Detektiven erledigt. Einen Komplettausfall des Systems habe es in den vergangenen 10 Monaten nicht gegeben.

Für erhebliche Verwirrung sorgte anschließend der zur Tatzeit im Kontrollraum tätige Detektiv, der sämtliche Zeiten durcheinander brachte.

Er bestätigte, dass die Kamerazeit wohl falsch gewesen sei. Auf der Kameraaufzeichnung tauchte Isa erstmals um 18:22 Uhr auf – dies ist allerdings die falsche Uhrzeit, wie sowohl der Filialleiter als auch der Detektiv aussagten. Es gebe allerdings auch noch eine „Software-Zeit“. Nun meinte der Detektiv, dass die Kamera 18 Uhr gezeigt hätte, tatsächlich müsse es dann aber laut Software 18:22 Uhr gewesen sein. Dies stimmt offenkundig nicht mit der Auswertung der Kameradaten überein.

Gleichwohl veranlasste ausgerechnet diese unergiebige Aussage die Verteidigung zu dem Antrag, den Haftbefehl aufzuheben, weil nun kein Tatverdacht mehr gegen den Angeklagten spreche. Isa habe ein glasklares Alibi, zeigte doch die Aussage des Detektivs, dass er sich zum Tatzeitpunkt bei Hugendubel aufgehalten habe. Die Staatsanwaltschaft und Nebenklage wiesen darauf hin, dass die Aussage des Detektivs reichlich unergiebig war und wollten diesen Antrag abgewiesen wissen. Das Gericht wird darüber noch entscheiden.

Die Verteidigung stellte noch einen weiteren Beweisantrag. Ein Sachverständiger solle dazu Angaben machen, dass es sehr wohl möglich sei, dass sich das Handy des Angeklagten durchaus auch bei seiner Anwesenheit im Hähnchengrill des Vaters in den Funkmast der Tatortfunkzelle einloggen könne. Die bisherigen Funkzellendaten gäben keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte tatsächlich am Tatort aufgehalten habe.

Das Verfahren wird am 2. Dezember 2013 fortgesetzt.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 25.11.2013

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Pressestelle peri e.V.
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Ehrenmord an Jolin: Die Verteidigung zieht die Aussagen der Mithäftlinge in Zweifel

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Ehrenmord JolinAm 2. Dezember 2013 fand der sechste Verhandlungstag im Ehrenmord-Prozess in Wiesbaden statt. Dem angeklagten  Isa wird vorgeworfen, die erst 22-jährige Jolin und ihr ungeborenes Kind getötet zu haben.

Im Vorfeld des 6. Prozesstages beantragte die Verteidigung die Anhörung mehrerer Zeugen, die mit dem angeklagten Isa in Untersuchungshaft saßen. Sie sollten zu der Frage gehört werden, ob der Zeuge Darius, der am 1. Verhandlungstag Isa schwer belastete, wahrheitswidrig ausgesagt bzw. sich Wesentliches ausgedacht hatte oder aus anderweitigen Quellen seine Fallkenntnisse bezog. Insbesondere weil er den Schriftwechsel bzw. die Akten zu Isas Verfahren auszugsweise gekannt haben könnte.

Bei dem ersten Zeugen handelte es sich um einen Börsenfachwirt, der in der JVA ein Zellennachbar von Isa war. Er sagte unmittelbar, dass er sich hauptsächlich mit der Vorbereitung seines eigenen Verfahrens beschäftigte und keine Angaben zum Verhältnis der Häftlinge Isa und Darius machen könne. Mit Darius habe er sich schon mal unterhalten, da dieser für die Essensausgabe zuständig war. Darius hätte ihm auch gesagt, dass er wohl bald aus der JVA entlassen werde. Der Zeuge hatte Darius darauf nach seinem Verteidiger befragt, aber Darius hätte erklärt, das läge weniger an seinem Verteidiger als daran, dass er Kenntnisse über einen Mitgefangenen weitergeben werde und diese Kenntnisse zu seinem Vorteil nutzen wolle.

Um welchen Mitgefangenen es sich dabei gehandelt hatte, habe der Zeuge nicht gewusst. Es hätte ihn zum damaligen Zeitpunkt aufgrund seiner eigenen Probleme auch nicht interessiert.  Isa hätte er ohnehin erst später kennengelernt.

Die Aussagen der weiteren vier Zeugen stimmten darin überein, dass es sich bei Darius um einen Menschen handelte, der alles dafür getan hätte, um seinen Vorteil zu sichern. Er hätte sehr viel über andere Gefangene gewusst und sich auch bemüht, sehr viel über sie in Erfahrung zu bringen. Ob das, was er dann aber erzählte, wahr oder gelogen war, dazu konnte keiner der Zeugen Angaben machen.

Darius und Isa hätten ständig Kontakt gehabt. gemeinsam gekocht und wären auch beim Hofgang viel zusammengewesen. Darius hätte auch gut mit den Beamten gekonnt und Vergünstigungen, wie eine 2. Stunde Hofgang, erhalten. Er hätte auch schon andere Mitgefangene „verpfiffen“. Ihm sei es dabei immer um seinen Vorteil gegangen.

Nähere Einzelheiten konnte allerdings dann keiner der Zeugen mehr angeben. Zwar sagten Zeugen, sie hätten gesehen, dass Darius Papiere gelesen hätte (u.a. wohl einen Haftbefehl), allerdings wusste nun keiner der Zeugen sicher, dass es sich um Isas Papiere, um Isas Haftbefehl und ggfs. um weitere Unterlagen Isas handelte, denn keiner hatte selber Einsicht in diese Papiere gehabt.

Einer der Zeugen berichtete, dass Darius auch von anderen Gefangenen die Haftbefehle gelesen hätte. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass sich die Gefangenen wechselseitig ihre Haftbefehle zeigten. Über seine Aussage bei der Polizei hätte Darius nicht gesprochen und auch mit den Zeugen hätte Darius nicht über Isa geredet.

Es wurde nur deutlich, dass die Zeugen wussten, dass Darius sehr viel redet und der eine oder andere sich ihm wegen seines Geredes nicht anvertrauen würde. Die Verteidigung stellte dann den Antrag, einen weiteren Mithäftling zu hören.

Außerdem beschwerte sich die Verteidigung, dass das Verfahren nicht fair geführt werde. So hätten die Verteidiger 3 CDs der Polizei erhalten (es handelt sich dabei um die Aufnahmen der Überwachungskameras aus Hugendubel-Filiale), die man trotz Beiziehung eines Computerexperten angeblich nicht öffnen konnte. Die Verteidiger unterstellten, dass seitens der Polizei absichtlich nicht abspielbare CDs an die Verteidigung übergeben worden waren und beantragten, die Original-Bänder von Hugendubel einzusehen. Der Richter erklärte, dass das kein Problem sei, da diese ja in der Asservatenkammer lägen, was zu einem erneuten Wortgefecht führte.

Ferner wurde von der Verteidigung beantragt, die in Italien lebenden Großeltern von Jolin als Zeugen dafür zu hören, dass Jolin und Isa gemeinsam einen Urlaub bei den Großeltern in Italien geplant hatten und Isa keineswegs ohne Jolins Wissen und Willen dieser nach Italien hinterher gereist sei.

Außerdem sollte erneut der Detektiv, der bei Hugendubel gearbeitet hatte, befragt werden. Die Kammer hätte die Aussage des Detektivs nicht richtig verstanden oder nicht richtig zur Kenntnis genommen. Dieser hätte keineswegs wirr ausgesagt.

Es wurde im Anschluss eine von der Polizei aus den Überwachungsaufnahmen gefilterte CD abgespielt. Erkenntnisse brachte diese allerdings nicht, denn weder konnte Isa deutlich gesehen werden noch konnte der Polizeibeamte, der die Abspielung vornahm, Details zu der angegebenen Zeit vortragen. Fest stünde nur, dass eine Zeitabweichung von ca. 15 Minuten vorliege und dass ein zentrales Gerät für alle Kameras in der Filiale die gleiche Zeit ausweist.

Das Verfahren wird am 16. Dezember 2013 fortgesetzt.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 02.12.2013

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Der 7. Prozessbericht zum Ehrenmord-Fall Jolin S.

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Jolin-EhrenmordDer angeklagte Isa, der wegen Mordes in Wiesbaden vor Gericht steht, war auch am 7. Prozesstag sichtlich gut gelaunt, als ob man ihm nichts nachweisen könne. Der 23-jährige Afghane tötete Jolin S. und ihr ungeborenes Baby, weil er keine Schande über seine Familie bringen wollte. Unsere Gerichtsreporterin Brigitta Biehl hat auch von diesem Verhandlungstag ihre Beobachtungen zusammengefasst.

Am heutigen Verhandlungstag wurde erneut das Thema „Mobilfunk“ erörtert. Erneut bestätigte nun ein Sachverständiger, dass die Tatortzelle unter keinen Umständen den Bereich des Hähnchengrills, wo sich der Angeklagte aufgehalten haben wollte, versorgen könnte.

Es wurde dann ein weiterer Zeuge gehört, der ebenfalls mit Isa zusammen in Haft gewesen ist. Er sollte aussagen, ob Isa dem Zeugen Yaghoubi, der am 1. Tag ausgesagt hatte, seinen Haftbefehl gezeigt habe, ggfs. auch andere Schriftstücke. Der Zeuge litt an erheblichen Erinnerungslücken: Zwar sagte er immer wieder, dass dies so sei – allerdings hatte er diese Kenntnisse letztlich nur vom Hörensagen: „Alle wussten das“. Es habe sich auch herumgesprochen, dass der Yaghoubi mit der Polizei über Isa gesprochen habe. Allerdings wurde dem Zeugen dann ein Brief vorgehalten, den er aus der Haft geschrieben hatte: „Ich habe heute in der Zeitung gelesen und da stand eine ganze Seite über Isa, dass der Iraner ihn verraten hat“. Die Nebenklage hielt dem Zeugen daher vor, wohl erst aus der Zeitung von dem „Verrat“ erfahren zu haben.

Anschließend ging es erneut um die Zeitanzeige der Filiale Hugendubel. Die Überwachungskameras hatten Isa um 18:22 Uhr („Bildschirmzeit“) aufgenommen; die ermittelnden Polizeibeamten hatten am 6.2.13, also am Tag nach der Tat, festgestellt, dass die Kameraanzeige um 22 Minuten von der Echtzeit abwich.

Die als Zeugin geladene Kriminalkommissarin bestätigte dies und beschrieb, dass sie und ihr Kollege sich die Aufnahmen genauestens angesehen hatten und dann sämtliche Sequenzen, auf denen Isa zu sehen war, vom Detektiv auf CD gebrannt wurden. Es war allerdings so, dass keine einzige Kamera den Zutritt Isas in die Filiale gefilmt hatte. Erklärbar sei dies dadurch, dass die Kamera, die den Eingangsbereich umfasse, im Wesentlichen nach links gerichtet war und große Teile des Eingangsbereichs nicht erfasst habe. Es gibt insgesamt wohl 15 Kameras bei Hugendubel. Als man Isa das erste Mal um 18:22 „Kamerazeit“ gesehen habe, hatte er noch die warme Winterjacke an und seine Mütze, was dafür spreche, so die Zeugin, dass er sich noch nicht so lange im Laden aufgehalten hatte.

Diese Angaben bestätigte ein weiterer Polizeibeamter, der auch bestätigte, dass es eine einzige Systemzeit gab, also keine weiteren abweichenden Zeiten, wie der Detektiv seinerzeit in seiner Aussage angedeutet hatte.

Ein weiterer sachverständiger Zeuge beschrieb dann noch einmal die Auswertung der Videoüberwachungsanlage Hugendubel, wobei er insbesondere bekräftigte, dass sich auch bei einem Kopiervorgang die Daten nicht verschieben. Ratlos war der Zeuge allerdings, als danach gefragt wurde, wie es sein kann, dass am 6.2.13 die Uhr um 22 Minuten abwich, inzwischen aber nur noch um 15 Minuten – dies konnte er sich und den Anwesenden nicht erklären.

Es wurde dann eine Sachverständige des LKA zu der Frage gehört, ob die Untersuchung der Textilien und Fasern verwertbare Erkenntnisse gebracht hatten. Das Wichtigste dürfte dabei gewesen sein, dass an der Außenseite der sog. „Tankhandschuhe“, die man in der unmittelbaren Umgebung des Tatortes gefunden hatte, Faserspuren von Isas Handschuhen, die in der Jacke, die er am Tatabend anhatte, steckten, gefunden wurden.

Sowohl von der Nebenklage als auch von der Verteidigung wurden sodann weitere Anträge gestellt:

Die Nebenklage möchte den Polizeibeamten hören, der Isa aufgesucht hatte und ihm die Nachricht über Jolins Tod überbracht hatte. Dieser hatte über Isas Reaktion einen Aktenvermerk verfasst, so ungewöhnlich war sie ihm erschienen.

Die Verteidigung möchte einen Uhrenzeitvergleich mit der Atomzeituhr über 4 Wochen, um zu beweisen, dass die „Kamerauhr“ bei Hugendubel am 6. Februar 2013 nicht 22 Minuten nachging. Ferner möchte sie einen Kommilitonen als Zeugen hören, der bestätigen soll, dass Isa sich am 5.2.13 ganz normal verhalten habe. Und es soll ein Dozent gehört werden, der bestätigen soll, dass sich Isa am 6.2.13 „ganz normal“ verhalten habe.

Das Verfahren wird am 6. Januar 2014 fortgesetzt.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 16.12.2013

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Mordkomplott in Wuppertal: Die Doppelmoral eines Vaters

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wuppertagVor dem Landgericht in Wuppertal wird derzeit  ein absonderlicher Prozess verhandelt. Den Angeklagten wird vorgeworfen, sich zu einer Geiselnahme verabredet sowie versucht zu haben, den Angeklagten Mehmet S. zu einem Verbrechen, nämlich Mord und Geiselnahme, zu bestimmen.

Zu Beginn der heutigen Verhandlung gab auch der Angeklagte Zekeriya Y. seine bereits angekündigte Einlassung ab und bestätigte die Angaben der beiden angeklagten Fehmi S. und Nuh C. vom vorherigen Verhandlungstag. Er, Zekeriya, hätte vermitteln sollen, damit der Sohn des Fehmi S. zurück zu seiner Familie komme.

Er habe den Kontakt zu Mehmet S. hergestellt, den er bereits seit 1998 kenne. Damals seien zwei seiner Kinder schwer erkrankt gewesen und Mehmet S. hatte den Kontakt zu einem Arzt hergestellt. Die Kinder konnten geheilt werden und zu dem Arzt bestünde nach wie vor Kontakt. Zekeriya habe deshalb eine tiefe Dankbarkeit gegenüber Mehmet S. empfunden und diesen nie ganz aus den Augen verloren. Er hätte dadurch auch erfahren, dass Mehmet S. sich zu einer „Autoritätsperson“ entwickelt habe.

Da Zekeriya Y. wusste, dass Mehmet S. aus der gleichen Gegend in der Türkei wie die neue Freundin Serpil stammte, hätte er Mehmet S. gebeten, auf die Familie einzuwirken, damit Serpil von Fehmis Sohn lässt.

Zekeriya war es bei der Verhandlung wichtig klarzustellen, dass er nichts mit den Grauen Wölfen zu tun habe. Er sei seit Jahren SPD-Mitglied, sei seinerzeit wegen Willy Brandt in die SPD eingetreten und sehe sich in dieser Tradition.

Zur Anklage selber erklärte er, dass er diese nicht in Abrede stellen wolle und die Telefonate hätten tatsächlich so stattgefunden.

Die Angeklagten Zekeriya Y., Nuh C. und Fehmi S. machten sodann Angaben zur Person:

Zekeriya Y. ist 1963 in der Türkei geboren. Er besuchte dort  5 Jahre die Grundschule und lebt seit 1979 in Deutschland. Er ist das mittlere von insgesamt 7 Kindern und 4 seiner Geschwister leben ebenfalls in Deutschland. Er ist seit 35 Jahren verheiratet und hat 3 erwachsene Kinder. Er hat 27 Jahre in Deutschland gearbeitet und er beklagt nun gesundheitliche Probleme: Asthma, Diabetes und Bandscheibenvorfälle, außerdem verfügt er nur über eingeschränkte Hörfähigkeit. Derzeit lebt er von ALG 2 und hat Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt. Aufgrund von Schulden hat er kurz vor der Inhaftierung Antrag auf Privatinsolvenz gestellt.

Nuh C. kam 1972 nach Deutschland. Er hat seit 40 Jahren als Dreher im Metallbau gearbeitet, ist seit 35 Jahren verheiratet und hat 3 Kinder. In der Türkei hat er 5 Jahre lang die Grundschule besucht, bevor er nach Deutschland kam, wo auch sein Vater bereits lebte. Der Vater ist wieder in die Türkei zurückgekehrt. Auch Nuh C. berichtet von gesundheitlichen Problemen: er ist zu 60% schwerbehindert, hatte in 2002 eine Bypass-Operation, leidet an Diabetes, Bluthochdruck und hat einen Bandscheibenvorfall. Vor der Inhaftierung bezog er Krankengeld. Schulden habe er keine außer dem Darlehen zur Finanzierung der selbstbewohnten Immobilie.

Auch Fehmi S. hat die 5 Jahre Grundschulzeit absolviert, ging dann 1962 für 2 Jahre zum Militär und danach 1964 nach Deutschland, wo er zunächst in Mülheim/Ruhr, dann in Brühl und zuletzt in Wesseling arbeitete. Seit 2002 ist er Rentner. Er ist seit 1970 verheiratet und hat 4 Kinder, 3 Töchter und den 35-jährigen Sohn, der letztlich Ursache des jetzigen Strafverfahrens ist. Die beiden älteren Töchter sind 1972 und 1973 geboren. Das Geburtsjahr der jüngsten Tochter war dem Angeklagten dann nicht mehr präsent. Da diese sich aber im Gerichtssaal befand, konnte sie insoweit zur Aufklärung beitragen (Geburtsjahr 1984). Die Ehefrau von Fehmi S. hat ihrerseits 15 Jahre gearbeitet und wird wohl nächstes Jahr in Rente gehen.

Auf Nachfrage des Gerichts räumte Fehmi S. ein, dass er noch einen Sohn hat, der in der Türkei lebt und nach dem Weggang des Vaters nach Deutschland 1964 geboren wurde. Mit der Mutter dieses Sohnes war Fehmi S. verheiratet, die Ehe wurde jedoch in der Türkei geschieden.

Bislang hat Fehmi S. nach eigenen Angaben keine Schulden. Da allerdings sein Sohn die Darlehensraten für die in seinem Eigentum stehende Immobilie, in der offenbar auch Fehmi S. nebst Ehefrau lebt, nicht mehr zahlt, befürchtet Fehmi S., das Haus zu verlieren.

Auch Fehmi S. berichtet über gesundheitliche Probleme: er leidet ebenfalls unter Diabetes sowie an Durchblutungsstörungen.

Anschließend beantragten die Verteidiger des Mehmet S., der sich als Einziger bislang überhaupt nicht geäußert hat, die Aussagen der übrigen Angeklagten bezüglich Mehmet S. nicht zu verwerten. Es ging hier um Formalien einer sog. „Verständigung“, die hier nicht weiter ausgebreitet werden sollen. Allerdings erklärten die Verteidiger der übrigen Angeklagten, dass diese ohnehin Geständnisse hätte ablegen wollen, weil die Telekommunikationsüberwachung eben so eindeutig gewesen sei und sie den dortigen Erkenntnissen nicht widersprechen konnten. Von einem sog. Deal könne daher gar nicht die Rede sein.

Das Gericht denkt weiterhin über eine Abtrennung des Verfahrens gegen Mehmet S. nach. Im Hinblick auf die 3 anderen Angeklagten sollen jedenfalls am kommenden Verhandlungstag, dem 10.1.14, die Plädoyers gehalten werden. Eventuell kommt es bereits dann zu einem Urteil.

Das Verfahren wird am 10. Januar 2014 fortgesetzt

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 19.12.2013

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Ehrenmord in Wiesbaden: „Solange du schwanger bist, gehörst du mir“

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Jolin-SIsa, der seit dem 8. Oktober 2013 in Wiesbaden vor Gericht steht, weil er seine schwangere Freundin Jolin tötete, musste sich am Montag dem achten Prozesstag stellen. Der Verhandlungstag begann mit der Vernehmung einer Zeugin, die sich am Tatabend in der Nähe des Tatortes aufgehalten hatte und dabei möglicherweise mit dem Täter sprach.

Diese Zeugin, die in der Nähe des Tatortes lebt, hatte sich an dem Abend mit ihrer Freundin zum Kinoabend verabredet. Da es heftig schneite, wollten die beiden mit dem Bus fahren. Die Freundin hatte diese Zeugin dann angerufen und ihr gesagt, in welchem Bus sie sitze. Die Zeugin lief daraufhin schnell zur Haltestelle, wo eine Person stand, die sie dann gleich fragte, ob dieser Bus schon weggefahren sei, was der Mann verneinte. Die Zeugin wartete dann dort einige Minuten auf den Bus, konnte den Zeitraum sogar genau eingrenzen, weil sie noch um 18:01 Uhr ihrem Mann eine Nachricht geschickt hatte, dass der Bus noch nicht gekommen sei.

Bei ihrer polizeilichen Vernehmung wurde die Zeugin 8 Männer gegenübergestellt, aus denen sie den auswählen sollte, den sie an der Haltestelle gesehen hatte. Von diesen 8 Männern konnte sie 6 sofort ausschließen, bei zwei weiteren war sie sich nicht sicher. Bei diesen beiden handelte es sich um den Angeklagten und seinen Bruder. Das Gericht legte ihr die entsprechenden Fotos noch einmal vor, und auch diesmal konnte sie 6 der gezeigten Personen ausschließen und die beiden Personen benennen, die sie eben nicht ausschließen konnte. Auf die konkrete Nachfrage, ob sie Isa als die Person, die an der Haltestelle mit ihr wartete, erkenne, meinte die Zeugin, sie könne nicht ausschließen, dass es sich um den Mann handelte, den sie damals gesehen hatte, aber sicher sei sie sich nicht. Dazu hätte sie ihn nur zu kurz gesehen und auch nicht weiter beachtet. Sie hätte nur gedacht, dass er eigentlich ein hübscher Mensch sei. Aufgefallen war ihr nur, dass er vollständig in schwarz gekleidet war.

Es wurde dann eine weitere Zeugin gehört, die Jolin als ihre beste Freundin bezeichnete, die sie seit der siebten Klasse kannte.

Sie berichtete, dass die Beziehung zwischen Isa und Jolin von Anfang an konfliktbeladen gewesen sei. Es habe ständig Streit zwischen den beiden gegeben. Isa habe gleich zu Beginn der Beziehung klargemacht, dass er Jolin auf gar keinen Fall heiraten werde. Allerdings habe er deutlich mehr Gefühle investiert als Jolin, die gar nicht so richtig in ihn verliebt gewesen sei. Dies habe Jolin auch vor Isa geäußert.

Aufgrund der schwierigen Situation zwischen Jolin und Isa hatte die Zeugin Jolin geraten, Isa ihre neue Anschrift in Wiesbaden nicht zu nennen. Isa habe Jolin nämlich regelrecht gestalkt, sie ständig angerufen und nach ihrem Aufenthalt gefragt. Wenn sie sich nicht meldete, habe er kurze Zeit danach vor ihrer Tür gestanden. Isa sei ohnehin sehr einnehmend gewesen. Er wollte Jolin „für sich“ haben. Er habe ihr auch vieles verboten, sogar, Gummibärchen zu essen, weil diese Gelatine enthalten, die  aus dem Bindegewebe von u.a. Schweinen gewonnen werden.

Die Zeugin konnte sich noch daran erinnern, dass sie einmal mit Jolin (aber ohne Isa) auf eine Geburtstagsfeier gegangen war und Isa Jolin dann ständig SMS schickte. Eine hatte Jolin ihr gezeigt, in der folgendes stand: „Bring dich doch um, schneid dir die Pulsadern auf“. Danach hätte Jolin erst einmal eine Pause von dieser Beziehung benötigt. Später hatte sie dann allerdings wieder Kontakt aufgenommen.

Als Jolin dann schwanger war, hatte Isa sofort von Jolin verlangt, dass sie abtreibe. Jolin sei damals zwar auch in Sorge gewesen, weil der Zeitpunkt für ein Kind denkbar ungünstig war, aber sie hatte sich nach zwei Tagen entschieden, dass Kind auf jeden Fall zu bekommen,

Isa habe ihr allerdings dauernd weiter Druck gemacht und u.a. gesagt, bei dem Fötus handele es sich doch nur um einen Zellklumpen, das sei noch gar kein Lebewesen. Jolin könne es ohne weiteres abtreiben. Auch habe Isa Jolin massiv bedroht.

Die Zeugin las dann aus dem Chatverkehr zwischen ihr und Jolin vor:

So hatte Jolin ihr am 23. Dezember 2012 geschrieben, dass Isa gesagt habe, wenn sie nicht abtreibe, werde sie den Afghanen in ihn kennenlernen: „Er würde mich umbringen und die Treppe hinunterwerfen“.

Am 24. Dezember 2012 habe Jolin an Isa geschrieben: „wir haben 2 Möglichkeiten: Du lässt mich in Ruhe und wir haben keinen Kontakt mehr oder mein Vater geht zu deinem und sagt alles und ich gehe zur Polizei, um mich schützen zu lassen. Mir macht das alles Angst.“

Am 21. Januar 2013 hatte Jolin der Zeugin mitgeteilt, dass sie jetzt zu Isas Vater gehen wolle und ihm alles sagen werde. Der solle dann dafür Sorge tragen, dass Isa sie nicht dauernd belästige, sonst wäre die Schande noch größer.

Am 23. Januar 2013 schrieb Jolin, dass Isa gesagt habe, er könne mit ihr machen, was er wolle. So lange sie schwanger sei, gehöre sie ihm. „Der ist Psycho, das ist krank, der macht mir alles kaputt“.

Am 25. Januar 2013 folgte eine Nachricht von Jolin, das Isa sie bei allen Bekannten schlecht mache. Außerdem habe er ihr mit seiner Familie gedroht: „ich würde keine Ruhe mehr haben, ich gehörte ihm. Ich muss zur Polizei gehen, sonst passiert echt was“.

Am 28. Januar 2013 teilte Jolin mit, dass sie nach Berlin oder Hamburg gehen wolle, um Ruhe zu finden: „Ich habe Horrorwochen hinter mir, das wird immer so weitergehen.“

Am 4. Februar 2013 sei Jolin nach der Arbeit noch im Fitnessstudio gewesen. Isas Vater war auch dort und erzählte: „ich habe mich versteckt, damit er mich nicht sieht“. (Isas Vater hatte zuvor einmal gesehen, wie Isa Jolin küsste, was Isa sehr peinlich gewesen war).

Jolin sei zu der Zeit fest entschlossen gewesen, die Trennung nun wirklich „durchzuziehen“. Schon vorher hätte sie sich trennen wollen, aber dann hätte Isa immer wieder in der Tür gestanden oder auch ihr einen langen Liebesbrief geschrieben. Und irgendwie habe Isa ja auch viel für Jolin getan.

Die Verteidigung hielt der Zeugin ihre polizeiliche Aussage vor, wonach sie Isa die Tat nicht zutraute. Die Zeugin bestätigte, dass sie dies gesagt habe, weil Isa eigentlich ein freundlicher Mensch sei, von dem man eine solche Tat nicht erwarte. Nach einigem Nachdenken sei ihr aber das Stalking-Verhalten von Isa in den Sinn gekommen, der Beziehungsverlauf und sein späteres Verhalten: Doch, sie traue ihm die Tat nun doch zu.

Der Richter wies noch darauf hin, dass der Vorhalt unvollständig sei, wenn  nur dieser eine Satz zitiert werde: die Zeugin hatte nämlich schon bei der Polizei gesagt, dass sie trotzdem als Erstes an Isa als Täter gedacht habe.

Der Verteidiger fragte dann noch nach dem Italienurlaub von Isa und Jolin. Hier konnte die Zeugin mitteilen, dass Jolin diese Italienreise für sich gebucht hatte. Isa hätte dann das Ticket gesehen und für sich nachgebucht. Es hätte keine gemeinsame Buchung gegeben.

Den Vorhalt der Nebenklage, dass mehrere Zeugen davon gesprochen hatten, dass Isa zwei Gesichter hätte, bestätigte die Zeugin: Er sei einerseits „ein netter Kerl“, aber andererseits schicke er eben derartige Mitteilungen wie „Schneid dir die Pulsadern auf“.

Als weiterer Zeuge wurde ein Kommilitone von Isa gehört, der allerdings keine Erinnerungen mehr an die Tage des 4., 5. und 6. Februar 2013 hatte: Ja, er hatte mehrfach mit Isa zusammen gelernt, wusste aber nicht mehr genau, für welche Klausur und er konnte auch nicht sagen, ob Isa dann die Klausur mitgeschrieben hatte. Insgesamt habe er Isa nur wenig gekannt. Der sei eben immer freundlich gewesen.

Zum Ende des heutigen Verhandlungstages stellte die Verteidigung dann noch den Antrag, ein Gutachten über die Glaubwürdigkeit des Zeugen Dariush Y. einzuholen, der am ersten Tage so ausführlich von Isas Erzählungen ihm gegenüber während der U-Haft berichtet hatte. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass es sich bei Dariush Y. um einen sog. „Kronzeugen“ handele, der auf eigene Vorteile im Rahmen seines Strafverfahrens hoffte und diese Vorteile in Form einer Strafmilderung erhalten hatte. In der Entscheidung der dortigen Strafkammer hieß es, der Zeuge sei von der Tat (dem Mord an Jolin) mit ehrlicher Abscheu erfüllt – dies bezweifelte die Verteidigung, da der Zeuge selber ja wegen eines Tötungsdeliktes in einer Diskothek angeklagt gewesen sei. Dies stellte die Staatsanwaltschaft dann richtig: der Zeuge sei wegen „gefährlicher Körperverletzung“ verurteilt worden.

Anders als die Verteidigung sind Staatsanwaltschaft und Nebenklage der Auffassung, dass die Kammer über hinreichend Sachkunde verfügt, um die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage des Dariush einschätzen zu können. Ein psychologisches Gutachten sei entbehrlich.

Das Verfahren wird am 13. Januar 2014 fortgesetzt.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 6. Januar 2014

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Wiesbadener Ehrenmord: Verteidigung spielt auf Zeit

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Jolin EhrenmordNachdem der Befangenheitsantrag der Verteidiger von einer anderen Kammer des Landesgerichts zurückgewiesen wurde, konnte die Verhandlung am 27. Januar 2014 mit der Vernehmung eines weiteren Zeugen fortgesetzt werden. Bei diesem Zeugen handelte es sich um einen weiteren Mitgefangenen Isas, der inzwischen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Der Zeuge sollte zu der Frage gehört werden, ob der „Kronzeuge“ Dariush sich seine gesamte Aussage aus den Fingern gesogen hatte und seine Angaben jedenfalls nicht auf eine Erzählung von Isa zurückzuführen war.

Um es kurz zu machen: wie auch bei den früheren Mitgefangenen blieb die Zeugenaussage absolut unergiebig. Das begann schon damit, dass der Zeuge zwar sagen konnte, dass es im Gefängnis üblich war, dass sich die Häftlinge ihre Haftbefehle und auch Korrespondenz mit ihren Anwälten untereinander zeigten – dies sei auch bei Isa und Dariush der Fall gewesen. Woher der Zeuge das wisse? Das habe er gesehen. Wann er das denn gesehen habe? Das musste beim Basketballspiel gewesen sein. Er konnte sich jedenfalls erinnern, dass es an dem Tag warm, jedenfalls angenehm gewesen sei und er Basketball gespielt habe. Als ihn die Nebenklagevertreterin darauf hinwies, dass im März 2013 (und danach wurde Dariush verlegt) Schnee gelegen habe, meinte der Zeuge nur schnippisch, auch bei Schnee könne es angenehm sein (gleichzeitig bat er aber darum, dass man ihm in den recht warmen Gerichtssaal seine Daunenjacke bringe, weil ihm kalt war).

Auch ihm zeigte der Vorsitzende mehrere Blätter in den unterschiedlichsten Rottönen und bat darum, den Rotton zu benennen, den Isas Haftbefehl hatte – auch hier musste der Zeuge passen.

Letztlich brachte der Zeuge mit seinen Äußerungen das Publikum und auch die Staatsanwältin zum Staunen: so berichtete er, dass ein Mithäftling sich ein Messer scharf gemacht hatte, weil er sich damit einen anderen Gefangenen vom Leib halten wollte.

Anschließend wurden der Haftbefehl und ablehnende Beschlüsse zu den diversen Beweisanträgen der Verteidigung verlesen:  alle Beweisanträge wurden abgelehnt, da von diesen Zeugen keine über die bisherigen Bekundungen hinausgehenden Tatsachenerklärungen zu erwarten seien.

Interessant war dabei die Begründung für die Ablehnung der Vernehmung des Professors, der von der Verteidigung benannt worden war um zu bekunden, dass Isa sich am Tag nach der Tat „völlig normal“ verhalten habe: hier stellte die Kammer sehr richtig fest, dass es keinen Erfahrungswert dazu gibt, wie sich ein Täter am Tag nach seiner Tat verhält.

Der Antrag auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bezüglich des Zeugen Dariush wurde abgelehnt, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Zeuge unter einer für die Kammer nicht erkennbaren psychischen Störung leidet und die Richter insofern aus eigener Sachkunde über die Glaubwürdigkeit des Zeugen entscheiden können.

Den Verteidigern fielen dann allerdings noch zwei weitere Beweisanträge ein:

Es sollte ein Sachverständiger bestätigen, dass es nicht möglich sei, in der Zeit zwischen Tatzeit und Auftauchen  bei Hugendubel die Strecke vom Tatort bis zum Filiale zurückzulegen (berechtigte Frage der Staatsanwältin: „Was für ein Sachverständiger soll das denn sein?“).

Und es sollten sämtliche Originalbänder der Aufzeichnungen der Filiale Hugendubel in der Zeit zwischen 18 Uhr und 18:40 gezeigt werden. Hier wies das Gericht darauf hin, dass den Verteidigern schon früher angeboten worden war, die gesamten Bänder auf einem Computer in der Geschäftsstelle anzusehen. Die übrigen Zeiträume hätte man ja bereits gesehen.

Letztlich fragte die Nebenklagevertreterin, ob der frühere Freund von Jolin, Ramin, der die ganze Zeit wegen angeblicher weiterer Fragen der Verteidiger der Verhandlung nicht folgen durfte, nun endlich kommen könne. Dies lehnten die Verteidiger ab mit der Begründung, dass sie noch Fragen hätten. Das Gericht stellte dazu fest, dass die Vernehmung des Zeugen seinerzeit „im allseitigen Einvernehmen“ beendet worden war und die Verteidigung dann schon konkrete Fragen nennen müsste, damit eine weitere Befragung durchgeführt werden könne. Dies will sich die Verteidigung überlegen.

Für Jolins Familie wäre die Anwesenheit von Ramin eine Freude und Erleichterung: Er teilt mit ihnen die Trauer um die Tote und unterstützt die Familie – wohingegen von Isas Familie nicht einer sich irgendwann einmal mit einem persönlichen Wort an die Eltern gewandt hat. Isa schon gar nicht, der weder sprachlich noch mimisch erkennen lässt, dass ihn Jolins Tod bedrückt oder nur irgendwie überhaupt angeht.

Das Verfahren wird am 10. Februar 2014 fortgesetzt. Es soll dann noch eine Zeugenvernehmung durchgeführt werden. Ferner soll die Psychiaterin ihr Gutachten erstatten und die Prozessbeteiligten wurden gebeten sich auf ihre Plädoyers vorzubereiten. Es spricht viel dafür, dass das Verfahren bald sein Ende findet.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 27. Januar 2014

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Psychiatrisches Gutachten: Isa hat eine sehr negative Einstellung insbesondere gegenüber nicht-muslimischen Frauen

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Ehrenmord JolinDie Hauptverhandlung wurde fortgesetzt mit der in einem früheren Termin unterbrochenen Vernehmung eines Kriminalbeamten, die insbesondere die Verteidigung gewünscht hatte. Der Beamte sollte dazu Stellung nehmen, warum Isa nach der ersten Vernehmung aus dem Gewahrsam entlassen wurde und was dann zu seiner späteren Verhaftung führte.

Der Polizist führte aus, dass eine Zeugin zunächst den früheren Freund von Jolin, Ramin, erkannt haben wollte, der daher der erste Verdächtige war. Nachdem Ramins Alibi (nämlich sein Zahnarztbesuch) sich bestätigte und zwischenzeitlich auch die Mobilfunkdaten ausgewertet worden waren, hatte sich der Verdacht gegen Isa gerichtet, der daraufhin auch festgenommen wurde.

Erneut sprach die Verteidigung die Überwachungsaufnahmen bei Hugendubel an und erneut wies der Beamte darauf hin, dass es allein in der Hand der dortigen Detektive läge, was aufgezeichnet wird. Die Verteidigung warf dem Polizisten vor, dass nicht gründlich genug ermittelt worden sei, weil einer der vernommenen Polizisten noch nicht einmal gewusst habe, wie viele Zugänge es zum Untergeschoss der Filiale Hugendubel gebe.

Auch die Frage, wie gründlich der Tatort nach Blutspritzern untersucht worden war, konnte der Beamte nur mit „sehr gründlich“ beantworten. Allerdings sei dies nicht seine Aufgabe gewesen, sondern die des Erkennungsdienstes..

Die Verteidigung sprach dann die Wegstrecke vom Tatort zur Filiale Hugendubel an. Sie hatte ja bereits einmal beantragt, ein Gutachten erstellen zu lassen, mit dem bewiesen werden sollte, dass die Strecke niemals in lediglich 15 Minuten zu schaffen sei.

Der Kriminalbeamte berichtete nun, dass er selber noch am Vormittag die Strecke (1.226 Meter) abgegangen sei. Mit eher gemächlichem Tempo und unter Beachtung aller Ampeln habe er 13 Minuten gebracht. Schnell laufend (und auf der Flucht) sei diese Strecke locker in 8 Minuten zu schaffen.

Die Verteidigung beantragte nunmehr erneut die Einholung eines Gutachtens durch einen Diplom-Ingenieur, der Unfallrekonstruktionen vornimmt und eine Weg-Zeit-Berechnung erstellen könne. Damit solle dann bewiesen werden, dass die Strecke vom Tatort bis zur Filiale Hugendubel nicht in 19 Minuten zu schaffen sei. Weder mit dem PKW, noch zu Fuß, noch mit dem Bus noch anderweitig, wenn es schneite und der Angeklagte darüber hinaus mehrere SMS geschrieben hatte sowie sich der Tatwaffe und der verschmutzten Bekleidung hätte entledigen müssen.

Die Nebenklagevertreterin wollte dann noch wissen, was die allgemeine Reaktion von Angehörigen ist, wenn sie von der Polizei erfahren, dass „etwas Schreckliches“ vorgefallen ist. Der Beamte erklärte, dass es eine sehr große Bandbreite an Reaktionen gibt, dass aber im Regelfall erst Entsetzen geäußert wird und das Ereignis negiert wird („das kann nicht sein“).

Im Anschluss wurde ein weiterer Kriminalbeamter gehört, der am Tatabend mit Isa telefoniert hatte. Isa hielt dies wohl für einen Scherz seiner Kommilitonen und er sei gar kein Polizist. Der Beamte verneinte dies und belehrte Isa als Beschuldigten, dass er sich nicht äußern müsse. Isa sei dann überrascht gewesen, wie man denn auf ihn komme. Man solle mal lieber Ramin beachten.

Die Beamten hätten Isa dann abgeholt und beschrieben die Atmosphäre während des Gesprächs als sachlich und nüchtern, ohne Emotionen. Nach Jolins Gesundheitszustand hatte sich Isa nicht erkundigt, nur gefragt, ob er sie im Krankenhaus besuchen könne. Der Zeuge selber wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, ob Jolin tot war.

Über die Vernehmung hatte der Zeuge mit einem Kriminalpsychologen gesprochen, der meinte, dass das Desinteresse für eine Täterschaft sprechen könne.

Die Vernehmung des Zeugen veranlasste die Verteidigung zwei weitere Beweisanträge zu stellen: Es solle noch ein Kriminalbeamter gehört werden, der aussagen werde, dass Isa sich kooperativ und aussagewillig gezeigt habe und nicht auffällig gewesen sei. Im Weiteren solle eine andere Zeugin gehört werden, mit der Isa diskutiert hatte, ob er zu Jolins Beerdigung gehen solle oder nicht. Auszugsweise wurde der Chat-Verkehr verlesen mit folgenden Äußerungen von Isa:

„Das ist alles zu viel für mich. Ich melde mich, wenn es wieder geht. Ich weiß selber nur, was in den Zeitungen steht, die schreiben nur Scheiße, das sind alles dumme Menschen mit Vorurteilen. Ich gucke Videos, das tut gut, dann weiß ich, dass es Jolin gut geht, dass sie im Himmel ist. Ich kann nicht raus, bis sich die Lage beruhigt hat.“

Die Verteidigung ist der Auffassung, dass die Korrespondenz nicht in dieser Weise erfolgt wäre, wenn Isa der Täter wäre.

Danach wurde das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen verlesen, mit dem geklärt werden sollte, ob Isa schuldfähig ist.

Isa hat sich nicht persönlich untersuchen lassen, das Gutachten musste auf der Basis der Akten und der Erkenntnisse der Hauptverhandlung erstellt werden.

Zur Biographie gibt es wenige Angaben: Die Eltern kommen aus Afghanistan, Isa ist in Kassel geboren und hat 2 ältere Brüder und eine jüngere Schwester. Die Familie ist muslimischen Glaubens (Schiiten), wobei Isa sich offenbar weniger streng an die Regeln hält als der Rest der Familie (er trinkt Alkohol und hat vorehelichen Sex, was lt. Isas Vater eine schwere Sünde ist). Als Ehepartner für die Kinder käme nur eine Afghanin in Frage: Bei der Hochzeit des Bruders, der eine Marokkanerin geheiratet hatte, war der Vater nicht anwesend – verstoßen wurde der Sohn allerdings nicht.

Isa sei sehr in Jolin verliebt gewesen, was umgekehrt eher nicht der Fall war. Jolin habe auch nicht gern Sex mit Isa gehabt, weil dieser ihr zu grob war.

Isa sei eine sehr stark kontrollierende Person.

Bei ihm sei eine leichte Anpassungsstörung zu diagnostizieren, die allerdings keinen ernstlichen Krankheitswert habe. Es lägen auch keine Depressionen vor, allenfalls leichte depressive Verstimmungen, wobei Isa nicht durch das Ableben der Ex-Freundin beeinträchtigt war, sondern er machte sich Sorgen um sein Studium und um seine Familie.

Eine Persönlichkeitsstörung sei schwierig zu diagnostizieren, wenn man keine Kenntnisse über die persönliche Vergangenheit hat. Allerdings spräche bei Isa nichts dafür. Er sei dominant und kontrollierend, aufbrausend, beruhige sich aber schnell wieder. Er habe allerdings eine negative Einstellung gegenüber Frauen, insbesondere nicht-muslimischen Frauen.

Ansonsten habe er keine grundsätzlichen Probleme bei zwischenmenschlichen Kontakten, seine Beziehung zu den Kommilitonen sei intakt.

Er sei während der Hauptverhandlung ausgesprochen kontrolliert gewesen. Eine schwere seelische Abartigkeit sei nicht erkennbar.

Es habe sich auch nicht um eine Affekttat gehandelt. Der Ablauf der Tat gebe dafür keinen Hinweis.

Zu den psycho-dynamischen Hintergründen der Tat führte die Sachverständige aus, dass es sich um eine komplizierte Beziehung gehandelt habe, in der zwei schwierige Charaktere aufeinandergetroffen seien.

Isa hatte immer auf seine Eltern gehört, er war sehr angepasst und hatte sich als „Lieblingssohn“ gesehen.

Jolin habe unter Stimmungsschwankungen gelitten. Die bei ihr diagnostiziere Borderline-Störung hätte sie aufgrund der Behandlung im Griff gehabt und sei stabil gewesen.

Die Beziehung der beiden sei ausgesprochen instabil gewesen.

Isa hätte wenig Einfluss auf Jolin gehabt, die viele Freundinnen hatte. Diese Welt sei Isa verschlossen geblieben. Jolin sei innerlich unabhängig geblieben und habe Isa keinen Zutritt in ihr Leben gelassen. Jolin sei eine starke Persönlichkeit gewesen.

Isa sei gegenüber seinem Vat besonders angepasst. Auch deshalb habe er die Beziehung zu Jolin verheimlicht. Isa habe große Angst vor der Situation gehabt und insbesondere befürchtet, sein positives Image in der Familie zu verlieren.

Letztendlich sei der Tathintergrund wohl die Angst vor dem Gesichtsverlust in der Familie gewesen.

Anschließend stellte die Verteidigung weitere Beweisanträge:

Die Uhr bei Hugendubel sei nicht 22, sondern nur 14 Minuten nachgegangen.
Der Einsatz der Blutspürhunde sei negativ verlaufen.
Es sollten sämtliche SMS verlesen und sämtliche abgehörten Telefonate vorgespielt werden.

Und zu guter Letzt wollte die Verteidigung ein bestimmtes Fahrzeug einer Zeugin vorführen, die von einem Fahrzeug am Tatort gesprochen hatte (dieses Fahrzeug hatte die Polizei dem Besucher eines Nachbarn zugeordnet): Dem Verteidiger sei ein anonymer Hinweis auf ein bestimmtes Kennzeichen zugegangen, das diesem Fahrzeug zugeordnet werden könne. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich hier um ein Fahrzeug gehandelt habe, mit dem der Täter zum Tatort gebracht worden sei und dann auch wieder wegfuhr. Die Polizei hätte sich geweigert, dieser Spur nachzugehen, sodass nun dieser förmliche Beweisantrag folgen müsse.

Das Verfahren wird am 24.2.14 um 9 Uhr fortgesetzt, möglicherweise mit weiterer Beweisaufnahme, möglicherweise aber auch mit den Plädoyers.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 10. Februar 2014

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Wiesbadener Ehrenmordprozess: Verteidigung zieht Gericht ins Lächerliche!

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Jolin EhrenmordIsa, der seit dem 8. Oktober 2013 in Wiesbaden vor Gericht steht, weil er seine schwangere Freundin Jolin tötete, musste sich am Montag dem elften Prozesstag stellen. Der Verhandlungstag begann mit der Vernehmung des Kriminalbeamten, der seinerzeit die Erstvernehmung von Isa durchführte. Er beschrieb, dass Isa, der kurz nach der Tat festgenommen und dann von ihm vernommen wurde, ihm glaubwürdig erschien. Die Vernehmung habe 3 Stunden gedauert und er habe sich von Isa seinen Tagesablauf genau schildern lassen. Isa habe überlegt geantwortet und seine Angaben seien überlegt formuliert, jedenfalls nicht “einstudiert” erschienen. Isa sei “angemessen bedrückt” erschienen. Das Ergebnis der weiteren Ermittlungen, die er urlaubsbedingt anfangs nicht verfolgen konnte, hätte ihn dann schon erstaunt. Insofern würde er rückblickend Isas Aussageverhalten als kühl und berechnend bezeichnen.

Das Gericht verlas sodann einen Vermerk, den einer der Polizisten betreffend der Videoüberwachung bei Hugendubel notierte: Die Videoaufzeichnungen werden dort einen Monat aufbewahrt. Neben den von den Detektiven gefertigten Videos gebe es daher heute keine weiteren Aufzeichnungen mehr.

Anschließend wurden die Beschlüsse zu den zahlreichen Anträgen der Verteidigung verlesen: Sämtliche weiteren Anträge wurden abgelehnt.

- Die Videoaufzeichnung gibt es nicht mehr.

- Die Frage, ob die Strecke vom Tatort bis zur Filiale in der angegebenen Zeit zurückgelegt werden könne, könne das Gericht aus eigener Sachkunde bearbeiten, dazu bedürfe es keines Sachverständigengutachtens.

- Eine erneute Vernehmung eines Zeugens wegen der Videoanlage sei unzulässig, weil dieser schon ausgesagt habe.

- Zum Hundeeinsatz brauche deshalb nichts mehr gesagt zu werden, weil nicht feststehe, dass der Täter Blut oder Körperteile im Tatortbereich verloren habe.

- die Vernehmung bezüglich des PKWs, den eine Nachbarin gesehen haben will, sei ohne Bedeutung.

- Ein Anspruch auf Überlassung der vollständigen Ermittlungsakte an die Verteidiger bestehe nicht. Diese habe Kopien erhalten (dies bezog sich auf die Telekommunikationsüberwachung).

Daraufhin kam der Verteidigung die Idee, sämtliche Unterlagen aller Ordnungswidrigkeitsverfahren in der fraglichen Zeit ausgehändigt zu bekommen, da das Gericht sich ja weigere, Näheres zu dem PKW, der in der 2. Reihe geparkt hatte, ermitteln zu lassen.

Auch dieser Antrag wurde zurückgewiesen mit der sehr nachvollziehbaren Begründung, das ein PKW, der in 2. Reihe parkt, noch lange keine Tatbeteiligung impliziert.

Die Verteidigung stellte den weiteren Antrag, dass ihr die Möglichkeit gegeben wird, außerhalb der Hauptverhandlung sich die Original-Telekommunikationsaufzeichnungen anzuhören (es handelt sich dabei wohl u.a. um die Überwachung von Gesprächen, die Isa in der JVA mit Besuchern führte).

Der im Zuschauerraum anwesende Polizeibeamte erklärte, dass die Aufnahmen so schlecht seien, dass nichts zu verstehen sei. Im Übrigen liege bei der Polizei noch eine Kopie der Mitschnitte, die der Verteidiger bislang noch nicht abgeholt habe. Eine Verschriftung sei jedenfalls nicht möglich.

Das Gericht räumte nun der Verteidigung die Möglichkeit ein, auf der Geschäftsstelle der Kammer schon einmal die dortigen Mitschnitte sich anzuhören und zu prüfen, ob sich für die Verteidigung durch die Abhörung neue Aspekte ergäben.

Daraufhin erwiderte einer der Verteidiger, dass er 3-stündige Pause für angemessen halte, weil er ja auch noch eine Mittagspause von einer Stunde machen wolle. Das Gericht lehnte dieses Ansinnen zunächst ab: Man wolle in 2 Stunden fortfahren.

Der weitere Verhandlungstermin kann nur sehr schwer beschrieben werden, da sich die Verteidiger einen Spaß daraus zu machen schienen, immer wieder neue Anträge zu stellen, die entweder in dieser Form bereits gestellt und beschieden worden waren (im Regelfall abschlägig) oder eindeutig unsinnig waren. Welche Strategie die Verteidigung damit fährt, erschließt sich nicht. Für den Angeklagten bringt die Verzögerungstaktik letztlich überhaupt nichts: Er ist im Gefängnis und bleibt da jedenfalls bis zum Ende der Hauptverhandlung, sollte nicht plötzlich ein geständiger Täter in den Gerichtssaal rauschen.

Zunächst erfolgte ein völlig absurder Beweisantrag, nachdem die Verteidigung sich Teile der Audio-Mitschnitte angehört hatte: Die Mitschnitte seien zu verschriftlichen und einzuführen, um den Beweis zu erbringen, dass sie keinerlei tatrelevanten Erkenntnisse enthielten. Anderes hatte bis dato auch kein Verfahrensbeteiligter, schon gar nicht die Staatsanwaltschaft behauptet. Die Verteidigung möchte also den Beweis für eine Tatsache erbringen, die ja anders auch von niemandem eingeführt wurde. Der Antrag wurde -nach einer angemessenen Pause- abgelehnt, weil die Tatsache (dass kein relevantes Material auf den Mitschnitten vorhanden ist) als wahr unterstellt werden kann.

Nun stellte die Verteidigung mal wieder einen Befangenheitsantrag gegen den vorsitzenden Richter: Dieser habe der Verteidigung ein zu enges Zeitfenster zur Anhörung der Kassetten gewährt.

Wieder eine Stunde Pause, weil ja auch ein derartiger Antrag beschieden werden muss, auch wenn die Verteidigung ja letztlich selber erklärte, dass sich aus den Audio-Aufnahmen nichts ergibt – ob sie nun noch 2 weitere Stunden auf der Geschäftsstelle sich die schwer (wegen Qualität) oder gar nicht (wegen fremdsprachig) verständlichen Gespräche angehört hätte, hätte ja nun keinen Unterschied gemacht.

Der Antrag wurde abgelehnt, was prompt zu einem weiteren Befangenheitsantrag führte, weil die dienstliche Äußerung des Vorsitzenden falsch sei. Erneute Pause, erneute Ablehnung.

Sollte man nun der Hoffnung erlegen sein, das Verfahren könne mit einem Ende der Beweisaufnahme zu den Plädoyers führen, man sah sich getäuscht: Die Verteidigung hatte erneut weitere Beweisanträge, denen unbedingt nachgegangen werden müsse:

- Erneut war mal wieder die Frage der Wegstrecke und der benötigten Zeit: Beweismittel sollte doch bitte das Internet und dort der Michelin Routenplaner sein.

- Ferne sollten noch einmal die bereits eingeführten Video-Aufzeichnungen der Filiale Hugendubel angesehen werden, damit ein Sachverständiger feststellen möge, dass die Bekleidung des Angeklagten nicht darauf schließen ließe, dass er durch Schnee gegangen sei.

- Ein weiteres psychologisches Gutachten wurde gefordert, mit dem bewiesen werden sollte, dass es völlig unwahrscheinlich sei, dass ein Mensch, der eine Tat angeblich kühl bis ins letzte Detail geplant hatte, sich in U-Haft unmittelbar einem völlig Fremden anvertraut.

Wieder Pause, wieder wurden die Anträge abgelehnt:

- Die Auskünfte einer Internetplattform (Via Michelin) seien keine geeigneten Beweismittel nach der Strafprozessordnung. Außerdem habe bereits ein Mensch die Strecke und den Zeitraum, innerhalb der sie zurückgelegt werden kann, beschrieben.

- Bezüglich der Videoaufzeichnung sei diese bereits eingeführt und könne von der Kammer gewürdigt werden.

- Auch im Hinblick auf das gewünschte psychologische Gutachten verfüge die Kammer über hinreichend eigene Sachkunde.

Aber das war noch nicht alles, was die Verteidigung so vorbereitet hatte, um zu verhindern, dass die Beweisaufnahme endlich geschlossen wird:

Mit dem nächsten Beweisantrag wurde der Spürhund thematisiert, der eine andere Strecke gegangen sei als die nach den Daten der Funkmasten zu erwartende.

Erneute Pause, erneute Beratung, erneute Zurückweisung des Beweisantrages mit der Begründung, dass der Angeklagte ja nun nach dem Tattag noch mehrfach die Strecke abgehen konnte, weil er ja nicht unmittelbar in Haft gekommen war.

Das Gericht gab nun dem Verteidiger, der noch einen Stapel Papier vor sich liegen hatte und offenbar beabsichtigte, diesen sukzessiv zur Verzögerung des Verfahrens einzubringen, auf, sämtliche Beweisanträge nun innerhalb der nächsten 10 Minuten zu stellen.

Helle Empörung bei den Verteidigern und der wiederholte Vorwurf eines unfairen Verfahrens waren die Folge. Den wahrscheinlich von der Mehrzahl der Zuschauer erwarteten Befangenheitsantrag sparte man sich dann doch.

Tatsächlich wurden noch zwei weitere Beweisanträge gestellt:

Es sollte zum Beweis für die Tatsache, dass sich Jolin am Tattag an einer anderen Haltestelle mit einem anderen Mann, vermutlich Ramin, getroffen habe, eine Zeugin gehört werden.

Dieser Beweisantrag wurde zurückgewiesen, weil die Zeugin schon bei ihrer polizeilichen Vernehmung nur schwache Erinnerungen hatte und diese Erinnerungen mit dem Zeitablauf von mehr als einem Jahr wohl nicht besser geworden sein dürfte.

Mit dem weiteren Beweisantrag meinte die Verteidigung dann wahrscheinlich, den Knüller gelandet zu haben:

Der Kronzeuge Dariush habe einem anderen Häftling gestanden, dass er sich alles nur anhand des Haftbefehls von Isa und eines Verteidigerschreibens ausgedacht habe.

Als Zuschauer war man erstaunt: Das Gericht wahrte die Contenance und fragte nach, auf welches Anwaltsschreiben sich der Zeuge denn bezogen habe, dass er alles so detailliert hätte beschreiben können. Antwort der Verteidiger: “Das weiß ich nicht, da muss ich zu Hause in meiner Handakte nachgucken.”

Das Gericht zog sich wieder zur Beratung zurück und fragte dann nach Rückkehr, wann der Angeklagte denn diese Erkenntnisse erlangt habe. “So im Januar, Ende Januar”. Der Vorsitzende: “Kann ich den Brief sehen?” Isa: “Den habe ich nicht hier”.

Man muss sich das Mal auf der Zunge zergehen lassen:

Da gibt es angeblich einen Brief, mit dem ein -im übrigen bereits vernommener Zeuge- dem Angeklagten mitteilt, dass der “Kronzeuge” der Staatsanwaltschaft ihm erklärt hat, dass er sich alles ausgedacht habe. Und dieses Schreiben bringt der Angeklagte nicht nur nicht mit, gibt es auch nicht seinem Verteidiger, nein, er erwähnt es auch erst am 3. Verhandlungstag, nachdem er angeblich davon Kenntnis erlangt hat.

Das mag verstehen wer will – die Zuschauer waren fassungslos.

Aber damit war noch nicht das Ende der Antragsflut erreicht:

Ein Sachverständiger der Zahnmedizin soll bestätigen, dass die Röntgenbilder des “angeblichen” Patienten Ramin nicht das gleiche Gebiss zeigen wie die Röntgenbilder des alten Zahnarztes, bei dem Ramin Patient war.

Ein anderer Sachverständiger soll bestätigen, dass das Mobiltelefon der Polizistin, das in der Filiale Hugendubel zum Beweis, dass die Uhrzeit von der Systemzeit um mehr als 20 Minuten abwich, nicht über GPS verfügt.

Und ein weiterer Sachverständiger solle bestätigen, dass es durchaus üblich ist, dass Mobiltelefone falsche Uhrzeiten anzeigen. Zum Beweis zitierte der Verteidiger dann zur Erheiterung oder zum Entsetzen der Zuschauer aus diversen Foren, in denen sich z. B. eine Nutzerin namens “Mary-Lou” beklagte, dass ihr Handy immer die falsche Zeit anzeige.

Der heutige Termin endete um 19 Uhr. Es ist dem Gericht nicht gelungen, die Beweisaufnahme abzuschließen. Dies mag die Verteidigung als “Erfolg” werten, und es ist zu befürchten, dass der zweite Verteidiger sich am nächsten Termin in ähnlicher Weise hervortut. Auch das gehört allerdings zu einem rechtsstaatlichen Verfahren: Anträge, und seien sie noch so unsinnig, müssen angehört werden und beschieden werden.

Wie gesagt: Es erschließt sich nicht, welche Strategie die Verteidiger verfolgen oder ob sie überhaupt eine Strategie verfolgen. Isa scherzte heute jedenfalls gut gelaunt mit seinen beiden Verteidigern, so dass davon auszugehen ist, dass diese ihn auf einen Freispruch und eine baldige Entlassung aus der Haft vorbereitet haben.  Wie sie das mit ihrer Verzögerungstaktik erreichen wollen, bleibt unklar.

Das Verfahren wird am 10.3.2014 um 9 Uhr fortgesetzt.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 24. Februar 2014

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Ehrenmord: Staatsanwaltschaft fordert lebenslängliche Freiheitsstrafe

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Jolin Ehrenmord WiesbadenDiese Woche wurden im Ehrenmord-Prozess Jolin die Plädoyers gesprochen. Die Nebenklage brachte es auf den Punkt: „Was sind das für Menschen, die die Annehmlichkeiten der westlichen Welt genießen, aber tatsächlich ihre archaischen Sitten hier weiterleben und ihre Kinder so erziehen, dass eine Familienehre über alles geht?“

Zu Beginn des heutigen Verhandlungstages war der Brief des Zeugen, der Isa angeblich geschrieben haben soll, erneut Thema des Tages, da der sog. „Kronzeuge“ ihm gegenüber eingestanden habe, sich alles nur ausgedacht zu haben. Es sei in Erinnerung gerufen, dass seitens der Verteidigung die Behauptung aufgestellt wurde, dass der Zeuge Dariush sich alles anhand des Haftbefehls und der Verteidigerbriefe, die Isa ihm gezeigt haben soll, zusammengereimt hätte. Dabei wurde nun festgestellt, dass der Verteidiger die Akte, aus der sich Einzelheiten ergeben konnten, überhaupt erst am 1. März 2013 abgeholt hatte, der Zeuge Dariush aber bereits Ende Februar seinen Verteidiger anrief und um ein Gespräch bat.

Gleichwohl wurde zunächst der Verteidiger von Dariush (den dieser von seiner Schweigepflicht entband) gehört, der bestätigte, dass er sich am 27. Februar 2013 in die JVA begeben hatte, nachdem sein Mandant ihn ein oder zwei Tage zuvor um ein Gespräch bat, weil er ihm unbedingt dringend etwas erzählen müsse.

Sein Mandant habe dann von den ihm von Isa gegebenen Informationen berichtet und dabei sehr schnell und sehr detailreich berichtet. Der Verteidiger konnte sich noch daran erinnern, dass er seinen Mandanten zeitweilig bremsen musste, weil er sich das alles nicht so schnell notieren konnte. So konnte sich der Verteidiger noch daran erinnern, dass sein Mandant von den Messerstichen berichtet hatte und davon, dass Isa noch „nachgeschoben“ haben will. Isa habe auch erzählt, dass das Auto seines Vaters in der Nähe gestanden hätte, wo er sich seiner Kleidung dann entledigt habe.

Der Verteidiger erklärte, dass für ihn die ganze Erzählung glaubwürdig wirkte, denn die gesamte Darstellung sei sehr schlüssig gewesen. Sein Mandant hätte ihm dann noch erzählt, er hätte nächtelang nicht schlafen können, weil er diese (Isas) Tat sehr verabscheue.

Nach seiner Erinnerung hatte der Verteidiger noch am gleichen Tag bei der Staatsanwaltschaft angerufen, dort aber niemanden erreicht. Wann er letztlich die Polizei über  die Angaben seines Mandanten informiert hatte, war ihm allerdings nicht mehr geläufig.

Nach Darstellung seines Mandanten hätten dieser und Isa ein sehr enges Verhältnis gehabt, so dass Isa seine Absicht die Wahrheit zu erzählen zum Ausdruck gebracht habe, obwohl er die Tat zuvor leugnete. Er habe Dariush gegenüber bestätigt, Jolin getötet zu haben. Als Gegenleistung soll Isa von Dariush seine wahre Geschichte eingefordert haben. Ein Vertrauensdeal zwischen zwei Häftlingen.

Nach dem Anwalt wurde erneut der sog. „Kronzeuge“ Dariush gehört, und zwar zu der Frage, ob er den Zeugen A. getroffen, mit diesem gesprochen und ihm dabei gestanden habe, sich alles nur ausgedacht zu haben.

Die beiden ersten Punkte, also das Zusammentreffen und das Gespräch, bestätigte der Zeuge. Dabei berichtete er, dass A. ihn gefragt habe, warum er „das“ (also die Aussage zum Nachteil Isas) getan habe. Dariush habe das schlicht und ergreifend folgendermaßen begründet: „Weil es die Wahrheit ist“. A. habe ihn dann darauf hingewiesen, dass er nun ja nur Probleme habe und das auch in Zukunft nicht besser werde, denn niemand wolle mehr etwas mit Dariush zu tun haben. Darauf habe er nur erwidert: „Dann ist das eben so“.

Im weiteren Verlauf wurde der Zeuge A. gehört, der einen Briefwechsel mit Isa bestätigte. Etwas wirr erklärte er dann, dass er in seinem Brief an Isa, auf den sich die Verteidigung bezogen hatte, nicht alles schrieb, denn sonst wäre der ja abgefangen worden. Er hätte Dariush beim Arzt getroffen und ihn gefragt, warum er diese Aussage gemacht hätte – nun wolle niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben. „Indirekt“ hätte Dariush eingeräumt gelogen zu haben: „Er hat den Kopf gesenkt und gesagt, dass er es bereue und ich recht habe”, so der Zeuge.

Darauf wurde Dariush noch einmal befragt, der bestätigte, dass er den letzten Satz sagte. Er habe damit aber gemeint, dass er seine Situation in der Haft bereue.

Erneut wurde der Brief thematisiert, der angeblich Dariush zu seiner detaillierten Aussage gebracht hatte und der sich in der in Isas Zelle sichergestellten Verteidigerpost befinden müsse. Diese lag in einem großen Umschlag vor Isa bzw. seinem Verteidiger.
Die Nebenklagevertreterin schlug nun vor, einfach in der im Gerichtssaal befindlichen Verteidigerpost nachzusehen, welcher Brief vor allem mit welchem Datum denn so detailreich gewesen sei, dass Dariush sich danach alles ausdenken konnte.

Darauf erwiderte der Verteidiger, dass er in seinem Computer gesehen habe,  dass er schon am 27. Februar 2013 ein entsprechendes Schreiben verfasst hatte. Darauf die logische Erwiderung: „Die Abfassung des Schreibens sagt ja noch nichts über den Zugang beim Mandanten.“

Die Nebenklagevertreterin fasste zusammen: Wir können alle davon ausgehen, dass Isas Verteidiger ihre Kenntnisse nicht dem Zeugen Dariush mitgeteilt haben. Wenn also Isa das nicht erzählt hat, muss es, was von der Verteidigung ja auch behauptet wird, ja einen Brief mit entsprechenden Angaben geben. Den könne man doch jetzt vorlegen. Verteidigung: „Das hängt von Isa ab“. Darauf meinte der Richter, dass dies ja nun wirklich das Einfachste für alle wäre, wenn der Verteidiger als Zeuge gehört werde, was er Isa wann gesagt oder geschrieben habe. Doch Isa verweigerte es seinen Verteidiger von der Schweigepflicht zu entbinden. So blieb dem Richter nur die Feststellung übrig blieb: „Dann bleibt es im Nebel.“

3 Beweisanträge wurden abschlägig beschieden:
- Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, dass das Handy der Polizistin nicht über GPS verfüge, wurde abgewiesen, weil das auch von niemandem behauptet worden war.
-  Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Frage, ob Handys häufiger falsche Zeiten anzeigen, wurde abgewiesen, weil es nur auf das konkrete Handy der Polizistin ankomme und darüber hinaus auch das Handy des Kollegen die gleiche Uhrzeit angezeigt habe.
- Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zahnstatus wurde abgelehnt, weil die Zahnärztin, bei der Ramin gewesen sein soll, als Zeugin insoweit als sachverständig gelten kann.

Die Verteidigung stellte einen weiteren Beweisantrag, nämlich den Geschäftsführer des Fitnessstudios zu hören, dass Isa nach dem Tattag nicht mehr dort gewesen sei, der Spürhund aber dorthin geführt habe. Auch dieser Beweisantrag, dessen Sinnhaftigkeit sich nicht ohne weiteres erschloss, wurde abgewiesen, weil er bedeutungslos war.

Tatsächlich wurde nun die Beweisaufnahme geschlossen und die Staatsanwältin plädierte. Einleitend zitierte sie den Satz Isas „Ich lasse nicht zu, dass Jolin mein Leben zerstört“. Ihm sei es nur um sein Leben gegangen und seine einzige Sorge sei gewesen, dass Jolin durch ihre Weigerung das Kind abzutreiben sein Leben und das seiner Familie zerstörte. Die Staatsanwältin beschrieb Jolin als lebenslustige und selbstbewusste junge Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nahm, viele Kontakte hatte, vom Chef geschätzt wurde und die dann auf den charmanten, gutaussehenden Isa traf, der allerdings in seiner Familie äußerst angepasst und dem sein Stand in der Familie sehr wichtig war.

Isa habe grundsätzlich ein negatives Frauenbild, insbesondere gegenüber nichtmuslimischen Frauen. Trotzdem habe er für Jolin intensivere Gefühle entwickelt, sie aber ständig kontrolliert. Ihm war klar, dass eine deutsche Christin noch darüber hinaus mit einem amerikanischen Vater für seine Eltern unmöglich wäre, so dass er die Beziehung vor seiner Familie geheim hielt.

Die Zeit der Schwangerschaft, die für eine Frau eigentlich eine Zeit der Freude und der Ruhe sein solle, sei für Jolin eine Zeit des Horrors und der Angst gewesen.

Die Staatsanwältin beschrieb dann den Tatablauf, wie er sich nach der Hauptverhandlung darstellte.

Als Täter komme nur Isa in Frage. Man habe auch gegen Ramin ermittelt, aber der habe kein Motiv (Jolin wollte seine Verlobung nicht verhindern), dafür aber ein glasklares Alibi.

Isa habe dagegen nicht nur ein Motiv:

Da war die demütigende Mitteilung von Ramin, dass Jolin mit ihm während einer „Beziehungspause“ Geschlechtsverkehr hatte. Schlimmer war die konsequente Weigerung Jolins, das Kind abzutreiben. Denn Isas Familie sei noch streng den Regeln der afghanischen Heimat verbunden, wonach eine Beziehung zu einer Nicht-Muslima unmöglich sei. Ein rein sexuelles Verhältnis wäre vielleicht noch möglich gewesen, mehr aber nicht. Insofern war die Schwangerschaft der „SuperGAU“.

Isa hätte befürchtet, von der Familie verstoßen zu werden. Das seien echte Afghanen.

Gegen Isa und für seine Täterschaft spreche die Auswertung der Handydaten, die Feststellungen der Sachverständigen zu den vorgefundenen Fasern und die Gegenüberstellung der Zeugin, die an der Bushaltestelle gewartet hatte. Die Aussagen des Dariush bestätigten diese Beweislage nur.  Zwar sei sicher allen bewusst, dass sich Dariush von seiner Kooperation auch für sein eigenes Verfahren Vorteile versprach, trotzdem sei seine Aussage glaubhaft gewesen. Der Versuch der Verteidigung, die Glaubwürdigkeit von Dariush durch Zeugenaussagen zu erschüttern, sei gescheitert. Dariushs Angaben beinhalteten echtes Täterwissen:

- die schwarze Bekleidung,
- die Frau an der Bushaltestelle,
- der Mann im PKW,
- die Schnittverletzungen,
- der Schatten im Flur,
- der Kauf des Messers in der Fußgängerzone
- dass das Messer „wie Butter“ eingedrungen sei

Von all diesen Dingen stand nichts im Haftbefehl. Insofern spielte es keine Rolle, ob Dariush den gesehen habe oder nicht. Seine Aussage sei konstant geblieben und ohne Widersprüche.

Die Tat sei als Mord zu qualifizieren: zum einen sei das Merkmal der Heimtücke verwirklicht, zum anderen aber auch sonstige niedrige Beweggründe. Als solche werden Gründe bezeichnet, die objektiv moralisch gemessen an der Rechtsordnung Deutschlands auf unterster sittlicher Stufe stehen. Maßgeblich sei nicht die Anschauung einer Volksgruppe, die andere Traditionen lebt. Für Isas Familie habe festgestanden, dass der Sohn eine Afghanin, möglichst noch eine von der Familie ausgesuchte, zu heiraten habe. Isa wollte seine Ehrhaftigkeit in der Familie nicht verlieren und sich den Unannehmlichkeiten, die ihm dort drohten bei Bekanntwerden seiner Beziehung zu Jolin. Der Familie als Freundin eine schwangere Christin zu präsentieren, hätte seinen Stand in der Familie ruiniert.

Dieses Motiv ist nach mitteleuropäischen Maßstäben nicht nachzuvollziehen.

Nach der Scharia ist der außereheliche Geschlechtsverkehr eine Todsünde, der allerdings bei Männern toleriert wird.

Es mag nun sein, dass die Familie die Trennung gefordert hätte, eine Ausstoßung sei eher unwahrscheinlich, ebenso die Tötung: immerhin sei auch der Bruder mit einer Frau zusammen, die den Eltern nicht genehm ist. Auch hier habe kein Bruch stattgefunden.

Die Staatsanwaltschaft beantragte eine lebenslängliche Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (womit verhindert wird, dass der Täter nach 15 Jahren Freiheitsentzug entlassen wird).

Die Nebenklagevertreterin richtete das Hauptaugenmerk auf die Situation von Jolins Familie: „ Ein Kind zu verlieren, ist das Schlimmste, was Eltern passieren kann. Damit geht die Zukunft verloren.“ Hier sei nun nicht nur das Kind gestorben, sondern auch das Enkelkind der Eheleute Smith durfte nicht leben. Es hätte, so habe Jolin ihrem Bruder anvertraut, Elia Noah heißen sollen.

Dies war übrigens für Zuschauer aus dem Umfeld von Isas Familie ein Grund zu lachen und zu grinsen, was eine Zuschauerin dermaßen in Rage brachte, dass der Richter ihr einen Ordnungsruf androhte.

Weiter führte die Nebenklage aus, Isa hätte sich nun über seine Verteidiger bemüht, Jolin in ein schlechtes Licht zu stellen: „Insbesondere ihre kurzzeitige Zuwendung zu Ramin während der Beziehungspause wurde moralisierend eingebracht.“ Dies werfe allerdings ein bezeichnendes Licht auf das dahinterstehende Frauenbild – wir leben schließlich im 21. Jahrhundert in Mitteleuropa.

Jolin sei auch die Schwangerschaft tatkräftig angegangen: Die Nebenklage zitierte aus dem „Babytagebuch“:

„ Wow, heute erfahre ich, dass ich schwanger bin. … Es steht fest, dass ich Dich bekomme….Ich habe das 1. Ultraschallbild bekommen und freue mich wahnsinnig auf Dich…“

Jolin habe offenbar die Bereitschaft von Isa zur Gewalttätigkeit unterschätzt, der über ein archaisches und extrem frauenverachtendes Weltbild verfüge. Nach seinem strengen Ehrenkodex hätten Frauen sich den Entscheidungen der Familie zu unterwerfen. Dies kann schon bei der Frage des Kopftuchs beginnen. Schuldige ist bei einem (Ehren)Mord jedenfalls immer die Frau. Der Täter stellt dann lediglich Recht und Ordnung her.

Durch Jolins Techtelmechtel mit Ramin sei bei Isa die Vorstellung eines Ehrverlustes einhergegangen. Einen solchen habe er auch befürchtet im Hinblick auf seine Familie.

Isas Familie könne sich von einer moralischen Mitschuld nicht freimachen: „Was sind das für Menschen, die die Annehmlichkeiten der westlichen Welt genießen, aber tatsächlich ihre archaischen Sitten hier weiterleben und ihre Kinder so erziehen, dass eine Familienehre über alles geht?“

Auch die Nebenklagevertreterin sah die niedrigen Beweggründe und qualifizierte die Tat als Mord. Dabei hob sie hervor, dass Isa in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und daher die Verwerflichkeit seines Tuns im Sinne der hiesigen Wertegemeinschaft erkennen musste.

Auch sie beantragte eine lebenslängliche Freiheitsstrafe und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

Die Verteidiger bemühten sich in ihren Plädoyers darum, Zweifel an Isas Täterschaft zu wecken, wobei der 1. Verteidiger zunächst die unsachliche Presseberichterstattung aufs Korn nahm, die nur sensationslüstern gewesen sei und die Leserschaft verdummt hätte.

Die Ermittlungsbehörden hätten nicht vernünftig gearbeitet: so sei schon nicht geprüft worden, wann Isa die Buchhandlung Hugendubel betreten habe: „Wir wissen nicht, wie lange er sich schon dort aufgehalten hatte.“

Was gebe es denn tatsächlich: Die Aussage eines Mithäftlings, bei der ihm, dem Verteidiger, fast die Tränen gekommen seien, dass ausgerechnet einem Zeugen moralische Bedenken gekommen seien, der selber wegen eines versuchten Tötungsdeliktes angeklagt gewesen war. Und woher der Zeuge seine Kenntnisse habe? Nun, er habe ja selber mit dem Messer zugestochen und wisse, wie sich das anfühlt. Der vorbestrafte Zeuge stelle sich als Moralapostel dar. Dabei verfüge er lediglich über eine blühende Fantasie.

Isa mag ja Täterwissen gehabt haben, aber vielleicht ist ihm das ja auch erzählt worden? Das sei nun nicht geprüft worden.

Unverständlich sei auch, dass das Gericht die Einholung eines psychologischen Gutachtens zur Glaubwürdigkeit des Zeugen abgelehnt habe und sich selber als hinreichend sachkundig ansehe. Der BGH gestatte in Ausnahmefällen wie bei Kindern und geistig kranken Menschen die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens – in diese Kategorie seien doch wohl auch Kronzeugen einzustufen.

Die Funkzellenauswertung hat keinen Beweiswert, da einzelne Funkzellen schon einen Radius von 500 – 1.000 m abdecken. Die Strecke vom Tatort zu Hugendubel sei bei dem schlechten Wetter nicht in so kurzer Zeit zu erreichen gewesen.

Isa treffe wohl eine Mitschuld an der Tat, denn er hat sich verbal und schriftlich gegen die Schwangerschaft gewehrt. Täter mag jemand aus dem Umfeld des Angeklagten gewesen sein – aber der Nachweis, dass der Angeklagte der Täter sei, sein nicht geführt worden.

Es bestünden ohnehin Zweifel an einem fairen Verfahren, weil alle Anträge der Verteidigung „abgeschmiert“ wurden.

Da die Täterschaft nicht nachgewiesen sei, sei Isa freizusprechen.

Der 2. Verteidiger brachte zunächst sein Erschrecken zum Ausdruck, mit dem die Nebenklagevertreterin „den bösen Moslem“ als Täter ausgemacht habe: dies passe nicht zur Familie des Angeklagten.

Zwar hätte Isa ein Motiv, aber Ramin noch ein viel stärkeres: denn der stand vor einer aufwendigen Verlobungsfeier. Statt also über Verschleierung zu sprechen, hätte sich die Nebenklagevertreterin lieber damit beschäftigen sollen, was so ein großes Fest bedeutet – da geht es um viel Geld, weil eine Frau gekauft wurde (Anmerkung der Verfasserin: die von der Verteidigung angesprochenen 120 Gäste sind ein eher „kleineres“ Fest in diesen Kreisen).

Für Ramin bzw. seine Familie wäre es eine Katastrophe gewesen, wenn eine andere Frau von ihm schwanger gewesen wäre und damit ein zwingender Grund für die Lösung der Verlobung bestanden hätte. Erstaunlicherweise habe nun gerade Ramin ein relativ sicheres Alibi: er war - allerdings zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt – bei einer Zahnärztin, die noch nicht einmal seine „übliche“ Zahnärztin war.

Es sei keine DNA und keine Blutspuren an Isas Auto und Kleidung festgestellt worden, obwohl man davon ausgehen musste, dass der Täter Blut abbekommen hatte.
Isas Nach-Tat-Verhalten spreche auch gegen eine Täterschaft: er habe wie immer telefoniert und SMS geschickt – „ein normaler Täter übergibt sich schon mal“.

Es sei hier nicht um Wahrheitsfindung gegangen, sondern um einen Abschluss des Verfahrens. So sei auch der Spur mit dem in 2. Reihe parkenden Van nicht nachgegangen worden.

Auch dieser Verteidiger plädierte auf Freispruch.

Das Verfahren wird am 24.3.14 um 14 Uhr fortgesetzt und zu einem Ende gebracht, zumindest in der 1. Instanz, zunächst mit dem Schlusswort des Angeklagten und dann mit dem Urteil.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 10. März 2014

Kontakt für weitere Informationen:
Pressestelle peri e.V.
Bachgasse 44
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Wiesbadener Ehrenmord: lebenslange Haft für Isa

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Ehrenmord JolinAm letzten Prozesstag im Ehrenmordfall Jolin S. war der Zuschauersaale im Gericht rappelvoll und auch die Presse war zahlreich erschienen, denn das Urteil wurde erwartet. Es mussten einige Zuschauer vor der Tür bleiben.

Zunächst fragte das Gericht den Angeklagten, ob dieser noch etwas sagen wolle, aber dieser schwieg so, wie er es im gesamten Verfahren getan hat.

Nach einer kurzen Unterbrechung wurde dann das Urteil gesprochen: Der Angeklagte wurde wegen Mordes in Tateinheit mit Abtreibung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld unterblieb.

Zur Begründung führte das Gericht aus:

Isa hatte ein schwerwiegendes Motiv: Er hat die Tat vorbereitet, er befand sich zur Tatzeit im Bereich des Tatortes und er hat vergeblich versucht, sich ein Alibi zu beschaffen.

Zur Vorgeschichte der Tat führte das Gericht aus, dass Isa und Jolin sich in einem Wiesbadener Café kennengelernt hatten, wo Isa jobbte. Die Beziehung war von Anfang an von einem Hin und Her geprägt. Isa verheimlichte die Beziehung vor seiner Familie, weil er annahm, dass diese die Beziehung zu einer nicht-muslimischen Frau nicht dulden würde. Gleichzeitig versuchte er, Jolins Verhalten zu kontrollieren und z.B. Einfluss zu nehmen auf das, was sie aß.

Die Schwangerschaft lehnte Isa von Anfang an ab. Auf jeden Fall musste sie vor seiner Familie verheimlicht werden, denn nur so konnte Isa das von ihm in seiner Familie gepflegte Bild des gehorsamen Sohnes aufrechterhalten. Mit der Schwangerschaft sah er seine eigene Lebensplanung gefährdet.

Seine Drohungen wiederholte er auf Facebook: “Wenn Du das Kind bekommst, bin ich im Arsch.. Such dir einen anderen Samenspender… Verarsch mich nicht, geh abtreiben”. Es war auch die Rede davon, dass Jolin sonst den Afghanen in ihm kennenlernen werde.

Trotz des Drucks wollte Jolin nach kurzer Bedenkzeit das Kind, freute sich sogar darauf.

Zum Tattag stellte das Gericht fest, dass Isa sich bis ca. 16:15 Uhr an der Fachhochschule in Rüsselsheim aufgehalten hat. Gegen 16:50 Uhr war er am Hauptbahnhof in Wiesbaden, ging dann zum Hähnchengrill zu seinem Vater, von dem er sich dann den PKW lieh. Im Fahrzeug hatte er Kleidung deponiert, die er zur Tatausführung nutzen wollte. Er parkte dann in einer Seitenstraße. Seine Absicht war es, Jolin beim Betreten des Hauses mit einem Messer zu töten, denn das Kind sollte auf keinen Fall auf die Welt kommen. Außerdem wollte er mit der Tat seine eigene Lebensplanung, insbesondere das Auslandssemester, absichern.

Als Jolin an der Bushaltestelle ausstieg, folge ihr Isa zum Haus. Jolin konnte ihn weder sehen (es war dunkel und er trug schwarze Sachen) und auch nicht hören, weil sie selber wegen des schlechten Wetters eine Kapuze auf dem Kopf hatte und außerdem über Kopfhörer Musik hörte.

Als Jolin das Haus betreten hatte, stach Isa ihr unvermittelt mit dem Messer in den Rücken. Jolin, die mit keinem Angriff rechnete, drehte sich um, schrie laut und beide fielen hin. Isa stach noch zweimal in die linke Flanke. Als er einen Schatten durch die Glastür sah, befürchtete er, entdeckt zu werden und floh. Eine Nachbarin rief um 18:36 Uhr den Notruf. Jolin konnte nicht mehr gerettet werden.

Isa floh zum Pkw, entsorgte die Tatwaffe in einer Mülltonne, zog dann im PKW die Oberbekleidung aus und entsorgte auch diese in einer Mülltonne. Danach begab er sich in die “Öffentlichkeit”, um sich ein Alibi zu verschaffen. Die Bibliothek, die er zu erst ansteuerte, war allerdings geschlossen. Daher ging er zu Hugendubel, wo es Überwachungskameras gab, so dass er sicher sein konnte, irgendwann von diesen Kameras erfasst zu werden.

Auf dem Weg zu Hugendubel schickte er einem Freund noch eine SMS, die sich dieser Freund nicht erklären konnte. Von Hugendubel aus rief er noch eine Bekannte an, die über diesen Anruf ebenfalls erstaunt war. Mit dieser Kommunikation wollte Isa ganz offenkundig dokumentieren, dass er wieder online war, also das Mobiltelefon, das während der Tatzeit ausgeschaltet war, nun wieder in Betrieb war.

Isa selber hatte sich während der Hauptverhandlung nicht eingelassen. Allerdings hatte er bei seiner polizeilichen Vernehmung erklärt, dass er ab ca. 17:45 Uhr am Imbissstand des Vaters war. Er habe sich dann das Fahrzeug ausgeliehen, um zur Bibliothek zu fahren, habe dort länger nach einem Parkplatz suchen müssen und sei später zu Fuß zu Hugendubel gegangen, wo er angeblich bis 19:30 Uhr blieb, um anschließend mit dem Vater gemeinsam zur Wohnung zurückzufahren.

Diese Einlassung ist widerlegt:

Dabei bezog sich das Gericht ganz wesentlich auf die Aussage des Zeugen Dariush, der eindeutig über Täterwissen verfügt hat. Dieser hatte sich in der Haft mit Isa angefreundet. Isas ersten Beteuerungen, er habe mit dem Mord nichts zu tun, hatte Dariush keinen Glauben geschenkt, weil Isa so gar keine Emotionen an den Tag gelegt hatte und sehr locker mit den Geschehnissen umgegangen war. Isa habe dann Dariush alles erzählt und sich wohl erleichtert gezeigt, dass er jemandem sein Herz ausschütten konnte.

Dariush war entsetzt über die Tat und empfand ehrlichen Abscheu: Die Tötung einer schwangeren Frau hatte für ihn eine andere Qualität als Drogenhandel, auch in größerem Stil oder eine Körperverletzung.

Ob Dariush auch den Haftbefehl von Isa gesehen hat, spielt für die Kammer keine Rolle, denn die Aussage enthielt Informationen, die in keinem Haftbefehl auftauchten:

- die weitere Glasscheibe im Flur des Hauses

- die Abwehrverletzungen der Getöteten

- wie leicht die Stiche zu führen waren

Außerdem bestätigten auch die objektiven Befunde insbesondere der Mobilfunkdaten die Darstellungen von Dariush, die er drei Mal, zuletzt in der Hauptverhandlung, jeweils widerspruchsfrei wiedergegeben hatte.

Die Tat ist als Mord zu qualifizieren:

Isa hat heimtückisch gehandelt, weil Jolin nicht mit dem Angriff rechnete und arglos gewesen ist.

Außerdem ist als weiterer niederer Beweggrund zu würdigen, dass Isa seine Interessen, insbesondere seine gute Stellung innerhalb der Familie, über das Leben von Jolin stellte.

Die von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage geforderte besondere Schwere der Schuld verneinte das Gericht allerdings. Dies sei nur angebracht, wenn Umstände von besonderem Gewicht hinzukämen, das Tatbild also so von “üblichen” Mordfällen abweicht, dass es völlig unangemessen sei, wenn der Täter nach 15 Jahren aus der Haft entlassen würde.

Dagegen spricht in den Augen des Gerichts, dass es sich bei Isa um einen ungefestigten jungen Mann handelt, wofür sein Gehabe beispielsweise in der Beziehung zu Jolin spricht. Außerdem befand er sich aufgrund seines familiären und kulturellen Hintergrundes in einer besonderen Zwangssituation.

Jolins Eltern zeigten sich gerade über diesen letzten Satz genauso enttäuscht wie peri e.V.: Es soll gar nicht bestritten werden, dass es für einen jungen Mann, der in einem derartigen traditionell geprägten familiären Umfeld groß wird, nicht einfach ist, sein Leben zu leben. Trotzdem: Isa ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Er hätte erkennen müssen und erkennen können, bei aller Tradition, die in seiner Familie gelebt wird, dass es falsch ist, einen Menschen um des eigenen Vorteils willen zu töten.

Diesen familiären Hintergrund als “Zwangssituation” entlastend einzubringen, hält peri e.V. schon deshalb für unangemessen, weil Isa an keinem einzigen Verhandlungstag auch nur ein Mal erkennen ließ, dass er die Tat bereut oder dass ihn der Tod von Jolin nebst seinem Kind belastet.

Isa hat also die Möglichkeit, nach 15 Jahren Haft entlassen zu werden. Familie S. wird ihr Leben lang mit dem Resultat der Tat leben müssen. Jolin bringt kein Urteil der Welt zurück.

Ob das Urteil Auswirkungen auf Menschen mit ähnlicher Einstellung wie Isa und seine Familie hat, muss bezweifelt werden.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 24. März 2014

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Peri-Stellungnahme zur Diskussion des Wiesbadener Urteils

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JolinIm Zuge der Berichterstattung zu dem Urteil in Wiesbaden im Mordfall Jolin S. fielen in der Presse Stichworte wie „Kulturbonus“ oder „Islam-Rabatt“. Dies entspricht nicht der Intention, die peri e.V. mit seiner Berichterstattung über die Gerichtsverhandlung hatte und hat.

Seit dem Urteil debattiert die breite Öffentlichkeit den Prozess und zitiert u.a. auch unsere zweite Vereinsvorsitzende und Gerichtsbeobachterin Brigitta Biehl. Es liegt in der Natur der Sache, dass Zitate oft verkürzt eine Meinung darstellen und zum Teil den Gesamtkontext vernachlässigen, in dem die Äußerungen getroffen wurden. Am 2. April 2014 sollte Brigitta Biehl als Gast in der RTL-Sendung SternTV zum Fall Jolin S. diskutieren und unsere Position verdeutlichen. Kurz vor der Sendung wurde sie wieder ausgeladen, obwohl Frau Biehl in der Programmvorschau bereits als Gast angekündigt wurde.  Solche und ähnliche Vorfälle musste bereits unsere erste Vorsitzende Serap Cileli mehrfach erleben. Zuletzt mit den ARD-Sendungen Morgenmagazin und Günther Jauch.

Wir möchten daher ausdrücklich folgende Stellungnahme abgeben:

1) Wir halten die Tat für einen sog. „Ehrenmord“. Peri e.V. definiert als Ehrenmord eine Tötung, die zur Wiederherstellung der (vermeintlichen) Ehre einer ganzen Familie begangen wird. Es geht ausdrücklich nicht um die narzisstische Kränkung eines Einzelnen, wie dies bei Tötungen z.B. aus Eifersucht der Fall ist, sondern um die Besorgnis, dass das Ansehen der Familie in der eigenen Community leidet. Um zu vermeiden, dass die Familie durch das Fehlverhalten eines Einzelnen gesellschaftlich geächtet wird, gilt die Tötung als denkbares Mittel, um den Ehrverlust zu vermeiden oder die Ehre wiederherzustellen.

Dabei ist insbesondere wichtig zu wissen, dass in diesen Familien die Nachkommenschaft strikt den Regeln, wie sie die Eltern, insbesondere der Vater, aufgestellt hat, unterworfen sind. Gerade ein freizügiges Leben nach „westlicher“ Art ist verhasst. Nachkommen, die gegen diesen Kodex verstoßen, ruinieren das Ansehen der Familie und damit deren Ehre. Bei diesen Familien handelt es sich um solche, die ihre archaische Tradition leben. Mit einer bestimmten Religion hat das nichts zu tun und dies wurde von uns auch nicht in der Form kommuniziert.

Im vorliegenden Fall befürchtete der Täter diesen Ehrverlust für seine Familie. Denn es war von seinem Vater vorgegeben, dass als Partnerin nur eine afghanischstämmige Frau in Betracht kommt. Zumindest sollte es aber eine Muslima sein. Die Schwangerschaft von Jolin S. war das deutlichste Zeichen, dass sich der Sohn nicht an die Vorgaben des Vaters gehalten hatte.

2) Eine Tat, die auf einem derartigen Motiv beruht, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs (BGH) auf „unterster sittlicher Stufe“. Dieser Ehrbegriff gilt damit für sich genommen schon als „niedriger Beweggrund“ und ist damit ein Mordmerkmal.

3) Im Fall Wiesbaden hat das Gericht den Angeklagten wegen Mordes verurteilt. Dies ist die Höchststrafe! Eine höhere Strafe gibt es im deutschen Gesetz nicht. Das Gericht hat zwar nicht das Ehrmotiv erwähnt, aber die Mordmerkmale „Heimtücke“ und „sonstiger niedriger Beweggrund“, nämlich die Tatsache, dass der Täter seine Interessen rücksichtslos über die von Jolin und dem ungeborenen Kind setzte, erkannt.

4) Staatsanwaltschaft und Nebenklage haben beantragt, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Dies bedeutet, dass damit verhindert wird, dass der Täter nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden kann (Auch ohne Feststellung der besonderen Schwere der Schuld erfolgt eine Entlassung nach 15 Jahren nicht unbedingt und uneingeschränkt). Das Gericht hat dies aus mehreren Gründen abgelehnt:
– Die Tat weiche im Tatbild nicht erheblich von anderen Morden ab
– Bei dem Täter handele es sich um eine ungefestigte Persönlichkeit
– Aufgrund seines „kulturellen und familiären Hintergrundes“ habe sich der Täter in einer Zwangslage befunden.

Die Kritik von peri e.V. bezieht sich auf die Begründung  zum „kulturellen und familiären Hintergrund“, die unserer Meinung nach ohne Not ins Urteil gebracht wurde.

Die Rechtsprechung zur Berücksichtigung des soziokulturellen Hintergrundes bei Ehrenmorden und Blutrachetaten geht dahin, dass die Herkunft des Täters dann zu berücksichtigen ist, wenn er in seiner Herkunftstradition noch so verhaftet ist, dass seine Entscheidungsfreiheit zum Zeitpunkt der Tat eingeschränkt ist und er keine Möglichkeit hatte, die Wertvorstellungen der deutschen Rechtsordnung zu kennen und nach ihnen zu handeln.

Nach Auffassung von peri e.V. mag dies bei einer einfach strukturieren Person, die sich erst kurze Zeit in Deutschland aufhält, der Fall sein. Doch der hiesige Täter wurde allerdings in Deutschland geboren, ist hier aufgewachsen, hat hier die Schule besucht und studierte. Insofern halten wir die Entscheidung des Gerichts, die besondere Schwere der Schuld zu verneinen, jedenfalls mit dieser Begründung für falsch.

Es wurden nun Gegensätze zu einer Untersuchung von Frau Julia Kasselt  konstruiert, die zu dem Ergebnis kam, dass „Ehrenmörder“ härter bestraft würden als „Partnerschaftstäter“. Hier muss kein Widerspruch bestehen: Wie oben dargelegt, gilt nach der Rechtsprechung des BGH das Motiv „Ehre“ allein schon als „niedriger Beweggrund“ mit der Folge, dass eine Verurteilung wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zwingend geboten ist. Bei sog. Partnertötungen kann es durchaus sein, dass kein Mordmerkmal vorliegt mit der Folge, dass die Tat nur als Totschlag verurteilt wird (Die Tötung ist z.B. nicht heimtückisch, weil sie im Rahmen eines Streites geschah).

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen:
Die Kritik von peri e.V. richtet sich ausschließlich gegen den Satz, mit dem die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verneint wurde. Dies ist in der peri-Berichterstattung  auch genau so zum Ausdruck gekommen. Die Entscheidung selber mag im Ergebnis mit den beiden anderen Begründungen vertretbar sein, wobei peri e.V. allerdings davon ausgeht, dass beim Vorliegen mehrerer Mordmerkmale und einem tateinheitlich verübten Schwangerschaftsabbruch durchaus auf eine solche hätte erkannt werden können.

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Kein Ehrenmord: Bundesgerichtshof bestätigt Urteil

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BGH Mueslime Revision Ehrenmord
Im Jahre 2012 wurde eine junge Mutter getötet. Die Staatsanwaltschaft klagte den Vater des Opfers und den Ehemann wegen Mordes an, denn sie glaubte sich einem weiteren Ehrenmord auf der Spur. Dies verneinte der Bundesgerichtshof und bestätigte damit das Urteil des Landgerichts Osnabrück.

Doch der Tathintergrund sprach erst einmal für die Ehrenmord-Theorie: Gerade mal ein halbes Jahr nach dem Mord an Arzu Özmen wurde erneut, nicht all zu weit weg von Detmold, eine junge kurdische Frau umgebracht, die einer patriarchalisch strukturierten Familie entstammt.

Nach der Zwangsheirat folgte die vermeintliche Freiheit

Müslime wurde als 18-jährige mit ihrem Cousin in der Türkei verheiratet (die Väter der Eheleute waren Brüder). Der Ehemann blieb zunächst in der Türkei, während seine Frau nach Deutschland zurückkehrte, wo sie ihren Sohn gebar. Erst 2012 reiste der Ehemann Hamza illegal nach Deutschland ein.

Seine Ehefrau hatte in der Zwischenzeit das Kopftuch abgelegt und sich einem Arbeitskollegen zugewandt. Sie lebte mit dem Sohn ein weitgehend normales Leben. Ob Müslime zu dem Arbeitskollegen eine intime Beziehung unterhielt, konnte das Gericht seinerzeit nicht klären, es war aber wohl so, dass ihr Vater und ihr Ehemann dies glaubten. Ein Zusammenleben der Eheleute gab es nach den Erkenntnissen des Gerichts zu keinem Zeitpunkt.

Aufgrund von Gewalttätigkeiten floh Müslime zwei Mal in ein Frauenhaus

Ihr Vater schaltete daraufhin einen „Vermittler“ ein, der Müslime zumindest dazu brachte, zur Familie, nämlich zu ihrem Bruder, zurückzukehren. Dieser Vermittler hatte von Müslimes Familie eine Garantie gefordert, dass ihr nichts passieren werde. Auch hier konnte im Prozess nicht geklärt werden, ob das Verhalten der Familie den Vermittler veranlasste, eine solche Garantie zu verlangen, oder ob es gängige Praxis dieses Vermittlers und damit eine „Formalie“ war.

Müslime jedenfalls wollte die Scheidung von ihrem Mann. Zeuginnen aus dem Frauenhaus hatten allerdings unterschiedliche Angaben über ihre Zukunftspläne gemacht: Einmal hatte sie erklärt, sie wolle mit dem neuen Freund wegziehen, ein anderes Mal hatte sie allerdings gesagt, der neue Freund wolle mit ihrem Kind nichts zu tun haben, so dass sie der Beziehung keine Chance gebe.

Im Haus des Bruders suchte Müslimes Mann sie auf und bei einem Streit, wohl wegen Müslimes Scheidungswunsch, schlug und würgte er sie, bis sie starb.

Das Landgericht Osnabrück hatte im Juni 2013 nach mehr als 25 Verhandlungstagen den Vater von Müslime freigesprochen und den Ehemann wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt. Es hatte dies damit begründet, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Tat auf die drohende Ausreise und vor allem die drohende Trennung von seinem Kind zurückzuführen sei (Müslimes Familie hatte sich eindeutig dahingehend positioniert, dass das Kind in Deutschland bleiben werde). Zwar gebe es gewichtige Anhaltspunkte auch für einen Ehrenmord, viele Aspekte sprächen aber dagegen. So sei der Wunsch nach einem Treffen mit ihrem Ehemann von Müslime ausgegangen, die eine SMS des Inhalts „Kommst Du? Es soll schnell vorbei sein.“ geschickt hatte, womit sie offenbar das Scheidungsverfahren meinte. Dies sprach in den Augen des Gerichts gegen eine gezielte Ermordung aus dem Ehrmotiv heraus.

Keine Anhaltspunkte für einen Ehrenmord

Ebenso sah das Gericht keinerlei Anhaltspunkte, dass Ehemann und Vater die Tötung besprochen hatten. Die Tatsache, dass der Vater den Zeugen aus der Familie ein „Schweigegebot“ auferlegt hatte, ließe nicht den Schluss zu, dass er an der Tat irgendwie beteiligt war. Dies sei wohl eher seinem allgemeinen Misstrauen gegenüber staatlichen Stellen geschuldet.

Auch die Tatsache, dass Müslime Angst vor ihrer Familie hatte, ließe nicht zwingend den Schluss auf einen Ehrenmord zu. Dazu fehle es an nachvollziehbaren Anhaltspunkten, warum Müslime diese Ängste hatte. Konkrete Drohungen seien nicht bewiesen worden, auch wenn ein Telefonat zwischen Mutter und Schwester den Schluss zuließen, dass durchaus auch schon mal über eine Tötung gesprochen worden war. Die Äußerung von Müslimes Schwägerin, Vater und Familie hätten „etwas Schlimmes vor“, gebe ebenfalls zu wenig Konkretes her. Das „Schlimme“ könne alles Mögliche sein.

Das Gericht konnte seinerzeit auch nicht ausschließen, dass für die Familie auch die Handlungsoption „Verstoßung“ noch in der Welt war, nachdem der Vater die Scheidung ablehnte. Auch eine solche Verbannung hätte die Familienehre wiederherstellen können. Dazu war erstinstanzlich das Gutachten des Prof. Jan Kizilhan eingeholt worden.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Urteil Revision eingelegt und beantragte, das Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Schwurgerichtskammer zu verweisen.

Der Bundesgerichtshof verhandelte und entschied am 15. Mai 2014 über die Revision der Staatsanwaltschaft.

Die Staatsanwaltschaft trug dabei vor, dass in ihren Augen die Beweiswürdigung fehlerhaft und lückenhaft gewesen sei. Das erstinstanzliche Gericht hätte die sozialethischen Maßstäbe, nach denen gehandelt worden war, verkannt. Sie führte aus, welche Beweise anders hätten gewürdigt werden müssen und dass, auch wenn die Tat nicht als Ehrenmord qualifiziert werde, auch die narzisstische Wut des Täters einen niedrigen Beweggrund darstellen könne. Immerhin hätten die Eheleute nie in einer Partnerschaft miteinander gelebt. Die Tat sei daher überhaupt nicht nachvollziehbar und beruhe ausschließlich auf ebenfalls nicht nachvollziehbarem Dominanzverhalten.

Die Verteidigung beschränkte sich weitgehend auf den Hinweis, dass die Beweiswürdigung ausschließlich Sache des Tatrichters sei und der Überprüfung durch das Revisionsgericht nur insoweit unterliege, als grobe Denkfehler und Verstöße gegen wissenschaftliche Erkenntnisse zu erkennen seien (als Beispiel führte der Verteidiger an: wenn das Gericht im Urteil zu dem Schluss gekommen wäre, der Rhein fließt Richtung Schweiz). Derartige Fehler seien nicht erkennbar. Vielmehr versuche die Staatsanwaltschaft, ihre Beweiswürdigung an die Stelle des Gerichts zu setzen, um den ursprünglichen Anklagevorwurf des Ehrenmordes zu retten.

Bundesgerichtshof verwarf die Revision

Warum berichten wir über diesen Termin? Wir wollen zeigen, dass es sich die deutschen Gerichte keineswegs einfach machen mit der Entscheidung, ob ein Ehrenmord vorliegt oder nicht. Auch für Täter, die patriarchalisch strukturierten Familien entstammen und deren soziokultureller Hintergrund vielleicht auf Anhieb einen Ehrenmord vermuten lässt, gilt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Und im vorliegenden Fall hat das erstinstanzliche Gericht offenbar hinreichende (und auch nachvollziehbare) Zweifel gehabt, dass die sog. „Familienehre“ der Grund für die Tat war. Der immer wieder gern gebrachte Satz „bei Deutschen heißt das Familiendrama“ wird damit ad absurdum geführt: Auch hier lag in den Augen des Gerichts eben ein „Familiendrama“ vor.

Peri hat seinerzeit den erstinstanzlichen Prozess nicht verfolgt, insofern können wir das Urteil des Landgerichts, das mit der heutigen Entscheidung rechtskräftig ist, auch nicht bewerten. Ein bisschen entstand der Eindruck, als sei der Ehemann der Durchführung eines Ehrenmordes durch die „Spontanität“ quasi zuvorgekommen.

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 15. Mai 2014

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In den Sommerferien droht die Zwangsheirat

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zwangsheirat-sommerferienAachener Zeitung: Die Menschenrechtlerin Serap Cileli kämpft in Deutschland für die Rechte junger Migrantinnen. Dafür wird die 49-Jährige nicht selten mit dem Tod bedroht.

Artikel erschien am 18.02.2015 in der Aachener Zeitung / Aachener Nachrichten

Von Anja Clemens-Smicek

Aachen. Serap Cileli weiß aus eigener Erfahrung, was das Wort Zwangsheirat bedeutet. Als Zwölfjährige sollte sie an einen Freund der Familie verschachert werden. Keine Anzeichen hatte es bis zu diesem Zeitpunkt gegeben, dass sie so brutal aus ihrer vertrauten deutschen Umgebung herausgerissen würde. In ihrer Verzweiflung beging sie einen Suizidversuch, der die Eltern aber nur kurz von ihrem Vorhaben abbrachte. Drei Jahre später wurde das Mädchen mit einem türkischen Bauern zwangsverheiratet. Es folgten sieben Jahre des Martyriums, ehe Serap Cileli nach Deutschland zurückkehrte.

Seit mehr als einem Jahrzehnt gehört die 49-Jährige zu den leidenschaftlichsten Kämpferinnen gegen Zwangsheirat und Ehrenmord. 2008 gründete Cileli den Verein „peri“ (türkisch für: die gute Fee), der sich als erste Anlaufstelle für junge Migrantinnen etabliert hat.

Für ihr Engagement wird die Menschenrechtlerin und Publizistin, die selbst alevitischer Konfession ist, von der muslimischen Gemeinschaft gescholten, denn sie rechnet schonungslos mit ihresgleichen ab. Selbst Todesdrohungen schrecken Cileli nicht davor zurück, offen ihre Meinung zu sagen. „Zwangsverheiratungen werden genauso wie Ehrenmorde in unserer Gesellschaft totgeschwiegen“, resümiert Cileli im Gespräch mit unserer Zeitung. Viele Migranten lebten in einer hermetisch abgeschlossenen Parallelgesellschaft, die von den Traditionen des jeweiligen Herkunftslandes bestimmt werde. Sätze, gegen die sich die Islamverbände verwahren.

Täter werden hart bestraft

Vor zehn Jahren sorgte erstmals ein Mord im Namen der Ehre für Schlagzeilen in Deutschland. Die 23-jährige Hatun Sürücü war am 7. Februar 2005 an einer Berliner Bushaltestelle von einem ihrer Brüder getötet worden, weil der streng muslimischen Familie ihr westlicher Lebensstil missfiel. Der Mord schreckte die Gesellschaft auf. Einiges, sagt Cileli, habe sich seither zum Positiven entwickelt.

„Als ,peri‘ gehen wir in die Prozesse und machen die Erfahrung, dass die Täter für einen Ehrenmord hart bestraft werden. Die Richter sind sensibilisiert“, sagt die 49-Jährige. Und weiter: „Unsere Arbeit wird wahrgenommen, nicht allein wegen unserer Mahnwachen vor Gerichtsgebäuden.“ Als richtigen Schritt bewertet sie auch die Hotline „Gewalt gegen Frauen“, die das Bundesfamilienministerium Ende 2012 eingerichtet hat.

Ob es nun an einer besseren Aufklärung oder den Hilfsangeboten liegt: Serap Cileli erlebt in ihrer täglichen Arbeit eine Zunahme der Hilferufe. Jährlich würden sich 80 bis 100 Mädchen und Frauen bei „peri“ melden – aus Furcht vor einer Zwangsheirat. „Viele Betroffene müssen wir intensiv betreuen“, sagt die Aktivistin und fügt hinzu: „Das Schlimmste ist, die gefährdeten Mädchen werden immer jünger.“ Zwischen 15 und 22 Jahre alt seien die Muslima, wenn sie den Kontakt zu „peri“ suchten. Um das Ausmaß der Problematik in Deutschland zu erfassen, wäre belastbares Zahlenmaterial nötig. Doch das gibt es kaum. Mit der vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenen Studie Zwangsverheiratungen in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen wurde 2011 erstmals bundesweit Datenmaterial gesammelt. Demnach hatten im Jahr 2008 ingesamt 3443 Mädchen und Frauen Hilfe bei Beratungsstellen gesucht, weil sie zwangsverheiratet wurden oder ihnen eine Zwangsehe drohte. Doch Experten warnten schon damals: Die Dunkelziffer liege viel höher.

Laut Studie werde jede dritte Betroffene im Zusammenhang mit der Zwangsverheiratung mit dem Tod bedroht. Zwei Drittel der Frauen hätten bereits in ihrer Erziehung Gewalt erlebt.

Das kann auch Serap Cileli bestätigen. „Die Mädchen, die zu uns kommen – überwiegend Türkinnen –, wachsen in der Regel schon mit häuslicher Gewalt auf. Man gibt ihnen das Gefühl, ein zweitklassiges Wesen zu sein. Die Drohung mit Zwangsverheiratung steht immer im Raum.“

Der Erstkontakt der Betroffenen mit „peri“ erfolgt häufig über Dritte – Psychologen, Mitarbeiter des Jobcenters oder auch Lehrer. Über diese Stellen nehme „peri“ Kontakt mit den Mädchen auf. „Wir treffen uns an neutralen Orten, bauen eine Vertrauensbasis auf und zeigen ihnen, welche Möglichkeiten sie haben. Die jungen Frauen leben in großer Angst.“ 90 Prozent würden es ablehnen, dass „peri“ in der Familie die Situation klärt. „Die Eltern fühlen sich gleich in ihrer Ehre verletzt oder bedroht“, weiß die Menschenrechtlerin über die Befindlichkeiten in patriarchalischen Familienstrukturen.

Sind die Mädchen unter 18, sei das Jugendamt die erste Anlaufstelle. „Die meisten lehnen das aber ab. Dann bleibt uns nur noch eine Hinhaltetaktik“, sagt Cileli. Sie rate den Betroffenen, die brave Tochter zu spielen, um die Heirat zu verschieben. Denn die Zwangsehe gilt nicht selten als Disziplinarmaßnahme für die vermeintlich ungehorsame Tochter.

Angst vor den Sommerferien

Besonders groß ist nach Erfahrungen Cilelis die Angst vor den Sommerferien. Unter dem Vorwand eines Urlaubswürden die jungen Migrantinnen in das Herkunftsland ihrer Eltern gelockt, um sie dann mit einem Mann zu verloben. „Wenn die Reise nicht zu verhindern ist, versorgen wir die Mädchen mit Adressen von Kontaktpersonen vor Ort, die kurzfristig eingreifen können.“ Denn der schlimmste Fall solle mit aller Macht vermieden werden: dass dem Mädchen der Pass abgenommen und es mit einem fremden Mann verheiratet wird. Damit einher gehe oft der Abbruch der Schule oder der Ausbildung.

Größer sind für den Verein die Hilfsmöglichkeiten, wenn die jungen Frauen über 18 sind. „Wir haben eine lange Liste von Patenfamilien, in denen sie anonym Zuflucht finden können“, so Cileli. „peri“ habe ein gut funktionierendes Netzwerk aufgebaut. „Wenn wir etwa in Aachen jemanden haben, der von Zwangsheirat bedroht ist, bringen wir ihn zum Beispiel in eine Familie nach Stuttgart und von dort nach Mainz.“ Pro Jahr gebe es durchschnittlich 15 Fälle, in denen die Spuren so verwischt würden, damit die Familien die Frauen nicht mehr finden.

Seit fünf Jahren beobachtet Serap Cileli ein neues Phänomen: „Wir bekommen immer mehr Hilferufe von deutschen Familien, deren Töchter plötzlich zum Islam konvertiert sind.“ Dabei spiele der Salafismus eine große Rolle. Erst im Januar hatte die Menschenrechtlerin vor dem Innenausschuss des hessischen Landtags vor den Gefahren in Deutschland gewarnt. „Diese Mädchen finden irgendwo im Netz eine Predigt von Pierre Vogel oder haben Freunde aus der Szene und schließen sich dann dem Salafismus an“, sagt Cileli. Einige dieser Frauen seien sogar nach Syrien gereist,um die Terrorgruppe Islamischer Staat im Kampf zu unterstützen. „Für die Eltern ist das ein Schock, wenn die Tochter, die bis vor kurzem noch Partys gefeiert hat, sich derart radikalisiert.“

Die Mädchen stammen nach Erfahrung Cilelis oft aus Problemfamilien, die Eltern befänden sich etwa in der Trennungsphase. „Die jungen Frauen sind auf der Suche nach Halt und finden ihn im Salafismus.“ Unter seinem Vereinsdach hat „peri“ eine Selbsthilfegruppe gegründet, die auch in der Schweiz und Österreich tätig ist. Den Islamverbänden in Deutschland wirft Cileli vor, die Probleme zu ignorieren. „Da heißt es immer, das habe nichts mit dem Islam zu tun, man befürworte weder Ehrenmord noch Zwangsverheiratung. Aber was glauben Sie, rät der Imam in einer Milli-Görüs- Moschee einem Mädchen, das ihm seine Ängste offenbart?“

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